Selbstauflösung, große Sache das! Schwer im Kommen. Müllsäcke, italienische etwa, wie man hört. Oder die Plastik- Milchkapsel, die sich in heißem Kaffee auflöst. Ganz so weit ist es mit dem leblosen menschlichen Körper noch nicht, aber auch er, immerhin – was wäre hier los, wenn er es gar nicht täte!

Doch Schluss mit diesem Novemberthema – richten wir den Scheinwerfer lieber auf den Literaturnobelpreis, den alternativen natürlich, der vor einigen Wochen an die frankophone Dichterin Maryse Condé vergeben wurde von einer schwedischen Spontan-Jury, die sich demnächst wieder selbst auflösen wird. Dadurch kann es gar nicht erst zum Skandal kommen. Bravo! Vorbild war sicher der Deutsche Buchpreis, dessen Jurys nach Wahl der Longlist (20 Romane), Shortlist (6) und First Place sich sofort in alle Winde zerstreuen. Dabei könnte sie sich durchaus noch eine Ehrenrunde gönnen, die Jury 2018, denn ein Roman wurde Nummer eins, der unlesbar ist aber originell – und das muss der Jury erstmal einer nachmachen. 

Schon früh war durchgesickert, dass die deutsch/kanarische Kandidatin mit Wurzeln, wie man so sagt, in Teneriffa es werden würde. Großinterview im Spiegel Wochen vor der offiziellen Bekanntgabe: Der Reporter T. Würger, extra nach Teneriffa geflogen, rang der Autorin Inger-Maria Mahlke das Geständnis ab, sie würde nahezu jeden Tag 30 Minuten weinen, bevor sie dann 16 Stunden schriebe (Man würde dem Reporter gern einen anderen Namen gönnen). Die Kritiker hatten der 41Jährigen fast alle bestätigt, dass ihre Romantechnik verblüffend sei, ihre Sprache faszinierend, man aber nach der Hälfte spätestens aussteige – na schön, mehr lesen Rezensenten sowieso nur selten, aber es gab keinen Totalverriss. Die Jury war, das muss man einfach zugeben, diesmal mutig, nachdem sie in den letzten Jahren eher langweilige Routiniers gekürt hatte.

Deshalb konnten zwei Ex-Wahlmünchner einfach nicht mithalten, obwohl auch sie eher am Rande des Literaturbetriebs operieren und brandneue Romane vorgelegt haben. Wolf Wondratschek, der mit seiner „Macho-Attitude“ wohl endgültig abgeschlossen und zu seinem 75. Geburtstag das leicht fade Alterswerk „Selbstbild mit russischem Klavier“ gemalt hat. Und Maxim Biller, 58, der in seinen „Hundert Zeilen Hass“ jahrelang alles und jeden beschimpft hat – außer Gerhard Schröder, seine heimliche Liebe. Aber der Gerd saß nicht in der Jury. Und diese clevere und – wie alle Jurys der Welt – ungerechte Jury wollte Billers neuen, mit ständigen Perspektivwechseln raffiniert geknüpften Familien-Kurzroman „Sechs Koffer“ einfach nur bis zur Shortlist kommen lassen. Biller wird’s tränenlos verkraften, Mahlke ihre Tränen mit frischem Ruhm abwischen und Wondratschek hat schon im letzten Jahr den „alternativen Büchnerpreis“ bekommen – na also, geht doch!
WH.