Susanne Röckels neuer Roman „Der Vogelgott“

Von Stefanie Bürgers

Kinder leiden an traumatischen Störungen, sie empfinden Flugzeuge als bedrohlich. Eine Sekte hat Zulauf, die einem grausamen Vogelgott huldigt. Mahner gelten als psychisch krank. Schwarze Vögel sind symbolhaft allgegenwärtig. Die Münchner Schriftstellerin Susanne Röckel schlägt mit ihrem neuen Roman „Der Vogelgott“, der gerade den Tukan-Preis erhalten hat, den Leser in ihren Bann. 

Drei erwachsene Geschwister, verbunden durch Kindheitserinnerungen, erzählen in drei Kapiteln in einer Rückblende ihre Erlebnisse in klarer, sorgsamer Sprache. Ausgangspunkt: ein Schriftstück des Vaters. Der Ornithologe schildert, wie er als Forscher einen geheimnisvollen Greif in einem desolaten, ehemaligen Kolonialstaat fängt und ausstopfen lässt. Die Geschwister Lorenz, Nora und Thedor haben jeweils unheimliche Begegnungen mit einem vermeintlichen Spezialisten, der alles über sie zu wissen scheint, der unangenehm riecht und obskure Macht über sie hat. Das Äußere des Mannes, der immer mit einem Namen, gebildet aus nur vier Buchstaben, auftritt, ist markant, mephistophelisch.

Als Entwicklungshelfer im ehemaligen Kolonialstaat wird Thedor Zeuge eines entfesselten archaischen Blutrauschs, einer Opferung gleich, den sogenannte Vogelmänner begehen. Dora, Kunsthistorikerin, beschäftigt das Bild „Madonna mit Walderdbeeren“. Das übermalte Original zeigt nicht Engel, sondern schwarze Vögel am Himmel und gemahnt an einen historischen Kindermord. Die Legende besagt, dass Maria einmal im Jahr auf Erden für die verstorbenen Kinder im Himmel Walderdbeeren pflückt. Als Dora weiter forscht, stößt sie auf beklemmenden Widerstand. Lorenz, Journalist, schreibt an einem Artikel über den tödlichen Unfall eines Kindes, das wegen eines Flugzeugs über die Straße rennt, offensichtlich aus Angst vor schwarzen Vögeln. Der dazu befragte Kinderpsychiater weicht manipulativ aus. Am Ende wird der Artikel durch die Redaktion als abwegig abgelehnt.

Alles nur ein Albtraum oder „geht es mit dem Teufel zu“? Ein spannendes, forderndes Buch.

Susanne Röckel
Der Vogelgott
Roman, 270 Seiten
Jung und Jung, Salzburg 2018
22 Euro