Vom 19. November bis zum 7. Dezember feiert München sein Literaturfest und die Bücherschau

Was für Frankfurt die Buchmesse, ist für München das Literaturfest. Zum fünften Mal dreht sich an diversen Veranstaltungsorten 19 Tage lang alles um die Literatur. Rund 100 Autorinnen und Autoren aus aller Welt sind dieses Jahr dabei, darunter Almudena Grandes, Günter Grass, Judith Herrmann, Sten Nadolny, Håkan Nesser, Tim Parks und Martin Walser. Außerdem der US-amerikanische Journalist Glenn Greenwald, der für den britischen „Guardian“ die Enthüllungen des NSA-Mitarbeiters Edward Snowden veröffentlicht hat. Für sein Buch „Die globale Überwachung“, verleiht ihm die Stadt München und der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, Landesverband Bayern, den mit 10.000 Euro dotierten Geschwister-Scholl-Preis, weil er mit großem Mut und beispielhaft für das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Kontrolle staatlicher Macht eingetreten ist. Einen weiteren Preis, „LiteraVision“, vergibt die Stadt München erstmals für qualitätsvolle Fernsehsendungen über Bücher und Autoren. Die zur Wahl stehenden Filme werden am 28. und 29. November in einer öffentlichen Jurysitzung im Literaturhaus vorgeführt und prämiert.

Die Münchner Bücherschau ist der traditionelle Teil des Literaturfests, sie findet bereits zum 55. Mal statt. Etwa 300 Verlage stellen im Gasteig vom 20. November bis 7. Dezember über 20.000 Neuerscheinungen aus, in denen man von 8 bis 23 Uhr in Ruhe schmökern kann. Im begleitenden Veranstaltungsprogramm des Gasteigs lesen jeden Abend international renommierte Autorinnen und Autoren. Ein Höhepunkt ist sicher der Auftritt von Günter Grass, der am 20. November eine Ausstellung von Radierungen eröffnet, die er selbst zu seinem berühmten Roman „Hundejahre“ angefertigt hat.

Eine tolle Gelegenheit, bekannte Schriftsteller auch kostenlos und live zu erleben, sind die Bayern 2-Diwan-Gespräche, die montags bis freitags immer von 18 bis 18.30 Uhr im Gasteig-Foyer stattfinden. Als Gäste werden die Bayern 2-Moderatoren zum Beispiel Navid Kermani, Hélène Grémillon, Judith Hermann und John Burnside interviewen, bevor diese anschließend zu ihren Lesungen aufbrechen. Auch für Kinder, Jugendliche, Schulklassen und Familien ist viel geboten: Unter anderem liest der finnische Kinderbuchautor Timo Parvela aus seinem neuesten Ella-Band, Kirsten Boie geht mit ihrer Protagonistin „Moses“ auf Schatzsuche, es gibt Kurse im Buchbinden, Vorleseaktionen, Schreibwerkstätten, Live-Hörspiele, Ausstellungen und vieles mehr.

Das Literaturhaus, das neben dem Bayerischen Börsenverein des Deutschen Buchhandels der zweite Veranstalter des Festivals ist, präsentiert in einem klassischen Lesungsprogramm „große Geschichten auf großer Bühne“, wie Literaturhaus-Chef Reinhard G. Wittmann verspricht. Martin Walser liest am 25.11.aus seinem Tagebuch „Schreiben und Lesen“; Robert Seethaler stellt am 2.12. seinen neuen Roman „Ein ganzes Leben“ vor, und am 4.12. erzählt die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller anhand ihrer kürzlich erschienenen Biographie „Mein Vaterland war ein Apfelkern“ aus ihrem Leben. Ein spezieller Abend zu Ehren von Botho Strauß findet am 3.12. statt, wobei der publikumsscheue Autor lieber unsichtbar bleibt und sich von seinem Verleger Michael Krüger und dem Schauspieler und Sprecher Edgar Selge präsentieren lässt.

Am letzten Festival-Wochenende, am 6. und 7. Dezember, bietet das Literaturhaus einen ganz besonderen Büchermarkt. „Andere Bücher braucht das Land“ ist das Motto der Ausstellung für kleinere unabhängige Verlage, die jenseits des Mainstreams auch Projekte realisieren, bei denen nicht die Gewinnerwartung im Mittelpunkt steht. Dazu gehört etwa der Schweizer Comic- und Graphic Novel-Verlag Edition Moderne, der die mittlerweile verfilmten Persepolis-Comics der Iranerin Marjane Satrapi herausgebracht hat. Oder zwei junge Münchner Stadtmagazine: das Underground-Blatt „Super Paper“, das monatlich im Zeitungsformat erscheint und aus den Bereichen Musik, Kunst, Theater, Mode und Lifestyle berichtet, sowie das Blogger-Magazin „Mucbook“, welches seit gut einem Jahr auch als edel aufgemachte Druckausgabe erscheint. Apropos Blog: Unter blog.litmuc.de findet man alles, was im Social Web rund um das Literaturfest passiert.

Zum Konzept des Literaturfests gehört auch ein experimenteller Teil, das forum:autoren. Zu dessen Gestaltung wird jedes Jahr ein anderer Schriftsteller als Kurator eingeladen. Diesmal ist es der Leipziger Clemens Meyer („Als wir träumten“, „Im Stein“). In acht Performances vom 20. bis 27. November will er „ein Gesamtkunstwerk“ kreieren, wozu er seine Gäste – Schriftsteller, Schauspieler, Filmemacher und Musiker, darunter Enfant terrible Jonathan Meese – zu einer Art Talk-Show mit sich selbst in interessante Locations einlädt, um ihnen dort ein Forum zur Selbstinszenierung zu bieten. Vier der Veranstaltungen finden im Mixed Munich Arts (MMA) statt, einer 21 Meter hohen, kathedralenartigen Halle in der Nähe des Königsplatzes. Nach den Veranstaltungen geht es dann in den „Laden für Nichts“. Das ist ein innerhalb des MMA provisorisch aufgebauter Raum aus Spanplatten, wo sich Gäste, Künstler und Autoren an der Bar treffen. Wer mag, darf sich mit Statements oder Malerei an der Wand verewigen, die so zum Bühnenbild wird und am 27.11. in einer Auktionsshow versteigert wird.
Simone Kayser