Etwa 100 Autoren aus aller Welt lesen und diskutieren in München, darunter Herta Müller und Swetlana Alexijewitsch

Vom 10. bis 27. November findet, bereits zum siebten Mal, Münchens literarisches Highlight, das Literaturfest statt. Auch dieses Jahr kommen wieder rund hundert Autorinnen und Autoren aus aller Welt, um aus ihren neuen Büchern zu lesen, sich Fragen des Publikums zu stellen und miteinander zu diskutieren. Darunter sind der amerikanische Bestseller-Autor Justin Cronin, die Büchner-Preisträgerin Sibylle Lewitscharoff, die Friedenspreisträgerin des Deutschen Buchhandels Carolin Emcke, der Prix-Goncourt-Preisträger Mathias Énard, der griechische Schriftsteller Petros Markaris, die Kinderbuch-Autorin Cornelia Funke sowie Katja Lange-Müller, Hanns-Josef Ortheil und viele andere.

Ein Höhepunkt der Veranstaltung ist das Blind Date der Literaturnobelpreisträgerinnen Herta Müller und Swetlana Alexijewitsch. Die gebürtige Rumänin Müller und die Weißrussin Alexijewitsch verbindet die Erfahrung des Schreibens in einem totalitären Regime. Persönlich kennengelernt haben sich die Schriftstellerinnen bisher nicht. Dies geschieht am 11. November, wenn sie sich in der Großen Aula der LMU gegenübersitzen und über Sprache und Poesie in Diktaturen unterhalten werden.

„Ein Wort gibt das andere“ heißt das Motto des forum:autoren, das dieses Jahr von der Schriftstellerin und Spiegel-Journalistin Elke Schmitter kuratiert wird. Mit Vorträgen, Diskussionen, Lesungen und Performances möchte Schmitter die „Möglichkeiten und Grenzen der Sprache“ durchleuchten. Welche Beziehungen bestehen zwischen Sprache, Dichtung und Politik? Wo treffen sich Sprache und Musik? Was können Übersetzungen vermitteln? Und wie funktionieren Sprachen ohne Schrift?

Ein zweitägiges Symposion „Lasst uns über Sprachen reden …“ beginnt am Samstag, dem 12.11. mit einem Vortrag von Mandana Seyfeddinipur, der Leiterin des World Languages Institute in London, die über das Einsammeln verschwindender Sprachen spricht und darüber, was wir über die Menschheit erfahren, wenn wir verstehen, wie sie erzählt. Weiter geht es mit dem Künstler Haralampi G. Oroschakoff und der neuseeländischen Singer-Songwriterin Hinemoana Baker über Muttersprachen und Sprachenvielfalt. Am Sonntag folgen Debatten, Vorträge und Begegnungen zum Thema Sprache aus medienwissenschaftlicher, philosophischer, politischer und künstlerischer Sicht – abschließend reflektiert und resümiert von der Lyrikerin Ulrike Draesner.

Der Wunsch der Kuratorin ist, dass es den Besuchern „vor Erkenntnis schwindeln“ solle und sie von der Schönheit der Literatur gepackt und nicht mehr losgelassen werden. Möge ihr das mit ihrem geistreichen Programm gelingen, das die Literatur auf Musiktheater und Konzerte erweitert. Etwa mit dem Film „Last Whispers“, einem Oratorium für bedrohte Stimmen, in dem Hunderte vom Aussterben bedrohte Sprachen mit Musik zu einer Klanginstallation verwoben wurden (So, 13. Nov. im Museum Fünf Kontinente). Oder mit dem Theaterprojekt „Rot ist, wie ein Holzkästchen sich anfühlt“, das die Bedeutung der Sprache für blinde Menschen thematisiert (12. und 13. Nov. in den Kammerspielen).

Das Literaturhaus präsentiert sein Festprogramm unter dem Motto „Die Welt erzählen …“. Die Autoren, die der Einladung der neuen Literaturhausleiterin Tanja Graf gefolgt sind, erzählen demnach Geschichten aus anderen, vor allem aus exotischen und fremden Ländern. Christoph Ransmayrs neuer Roman „Cox oder der Lauf der Zeit“ spielt in China (Di, 15. Nov.). Der monumentale Roman „Kompass“ von Mathias Énard handelt von der jahrhundertealten Sehnsucht des Westens nach dem Orient und führt die Leser nach Istanbul, Damaskus, Aleppo und Palmyra (Mi, 16. Nov,). Und in Sibylle Lewitscharoffs neuem Roman „Das Pfingstwunder“ entschwinden 33 Dante-Forscher in eine wahrhaft unbekannte Welt (Mo, 21. Nov.)

Die Münchner Bücherschau lädt an den 18 Veranstaltungstagen täglich von 8 bis 23 Uhr zur großen Buchausstellung im Gasteig ein. Hier kann man in aller Ruhe in den über 20.000 Neuerscheinungen verschiedenster Verlage schmökern. Begleitet wird die Ausstellung von einem Veranstaltungsprogramm mit international bekannten Autorinnen und Autoren und interessanten Themenabenden. Beispielsweise einem Abend zur Erinnerung an Henning Mankell, wo der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler aus Mankells letztem, posthum erschienenen Krimi vorliest (Di, 15. Nov.). Der Iraker Bachtyar Ali, der in seinem Land Kultstatus genießt, stellt am 17.11. seinen bildmächtigen Roman „Der letzte Granatapfel“ vor. Und zum 100. Todestag von Jack London sprechen Denis Scheck und Martin Walser über das Werk des früh verstorbenen Abenteurers (Mi, 23. Nov.).

Im Rahmen des Literaturfests werden außerdem drei Preise verliehen: Der mit 10.000 Euro dotierte Geschwister-Scholl-Preis geht an die französische Autorin Garance Le Caisne für ihr Buch „Codename Caesar. Im Herzen der syrischen Todesmaschinerie“ (Preisverleihung am Mo, 21. Nov. in der großen Aula der LMU). Der „Preis für einen Bayerischen Kleinverlag“ (7.500 Ä) geht an den LOhrBär-Verlag aus Regensburg für sein kunstvoll gestaltetes Hörbuchprogramm. Und der Fernsehpreis LiteraVision wird am 19.11. im Literaturhaus für beispielhafte Sendungen über Bücher und AutorInnen vergeben.
Simone Kayser