Petra Morsbach seziert den Justizleib

Von Wolfram Hirche

Na schön, 479 Seiten über die Münchner Justiz zu lesen, ist nicht jedermanns Sache, und Herbert Rosendorfer hat sich schon anno 1981 der Materie auf satirische Weise angenommen in „Ballmanns Leiden oder Lehrbuch für Konkursrecht“ – wobei Satiren oft nach 50 Seiten zu ermüden beginnen. Was Petra Morsbach, die in Starnberg lebende Autorin, in ihrem siebten Roman dagegen schafft, ist keineswegs ermüdend. Es gelingt ihr, den Leser durch raffinierte Vor-und Rückblenden, durch Perspektivenwechsel und vor allem durch die eindringliche Schilderung der Hauptfigur Thirza Zorniger wach und in Spannung zu halten. Im Grunde präsentiert sie uns damit ein kritisches Sachbuch über Leiden und Triumph der Richterschaft anhand von mehr als 30 konkreten Justizfällen, betrachtet durch die sehr persönliche Brille ihrer Heldin, jener tüchtigen Tochter eines genialischen Schauspielers („Augenbrauenwunder“) und einer ihm kurzzeitig verfallenen Halbjuristin.

Thirza weiß schon vor dem Abitur, dass sie Richterin werden will und „für Gerechtigkeit sorgen“ – weit schwerer fällt ihr dagegen „diese Frauen-Männer-Sache“, zumal sie sich auf der Karriereleiter von der Staatsanwaltschaft über das Justizministerium zum Familien-und Zivilgericht von der Arbeit aufsaugen lässt. Erst nach vielen Jahren begegnet ihr die große Liebe Max – dessen baldiger Tod aber auch schon auf Seite 35 angekündigt wird. Dazwischen sind die „Fälle“ gestreut, die sie lösen muss, durchwoben von „Natural-Parteien“, Anwälten und Richterkollegen, die alle Schattierungen menschlichen Charakters zeigen: Sie sind ängstlich, sadistisch, arrogant und verschroben. Dieses Panoptikum von Juristen, diese Facetten und Erfahrungen, auch die sprachlich gekonnte Schilderung des Liebesglücks, das uns die Autorin hier vorführt, machen den eigentlichen Genuss des Romans aus- ein paar weniger juristische Fälle hätten es allerdings ruhig sein dürfen.

Petra Morsbach
Justizpalast
Roman, 479 Seiten
Knaus Verlag, München 2017
25,00 Euro