Immer im Schatten – Heinrich Manns halb versteckte Gedenktafel in Schwabing

Von Michael Berwanger

Im Januar 2016 entschied das Landesamt für Denkmalpflege, dass der Gebäudekomplex an der Leopoldstraße 59-61 nicht in die Denkmalschutzliste aufgenommen werden könne, da es sich um einen Neubau handle – der ursprüngliche Bau war im Krieg total zerstört worden. Seither ist unklar, wann das so genannte Mann-Haus, in dem Heinrich Mann von 1914 bis 1928 gelebt hatte, abgerissen wird. Ohnehin wird dem im Schatten stehenden Bruder von Thomas Mann wenig Ehre zuteil– nur eine kleine Tafel erinnert an die 14 Jahre von Heinrich Manns Schwabinger Zeit. Und diese Tafel hängt nicht an der Front des Hauses, sondern seitlich. So, als ob man es besser nicht sehen solle.

Luiz Heinrich Mann (1871 – 1050) hatte sich 1914 – als frisch Vermählter – mit seiner Frau, der Prager Schauspielerin Maria Kanová, wieder in München niedergelassen, nachdem er jahrelang zwischen Palestrina und Rom gependelt war. Teilweise hatte ihn dabei sein jüngerer Bruder Thomas begleitet. In dieser Zeit standen sich die Brüder noch nahe. Eine verschleppte Lungenkrankheit nötigte ihn auch häufig zu Sanatoriumsaufenthalten in Riva del Garda. Als im November 1914 Thomas Mann seinen Essay „Gedanken im Krieg“ veröffentlichte, kam es zum Bruch zwischen den Brüdern, da Thomas deutschnationale Tendenzen erkennen ließ, Heinrich aber, den Sozialisten nahe stehend, jede Teilnahme am Ersten Weltkrieg ablehnte. Eine Versöhnung kam erst 1922 zustande, blieb aber zeitlebens fragil.

Noch vor Beginn des Ersten Weltkriegs hatte Heinrich Mann den Roman „Der Untertan“ vollendet, der bis Kriegsausbruch in Teilen als Vorabdruck in der Zeitschrift „Zeit im Bild“ erschienen war. Erst 1918 erschien der Roman als Gesamtwerk im Kurt Wolff Verlag in Leipzig. Der Roman erzählt von Diederich Heßling als Beispiel für einen bestimmten Typ Mensch in der Gesellschaft des Deutschen Kaiserreichs. Heßling ist ein Mitläufer, Konformist und Intrigant, der sich als Tyrann gegen Schwächere austobt, aber sich als Untertan freudig der Obrigkeit unterordnet. Thomas Mann bezeichnete den Roman abwertend als „ruchlosen Ästhetizismus“. Zusammen mit dem 1904 erschienenen und zeitweise verbotenen Roman „Professor Unrat oder das Ende eines Tyrannen“ mehrte sich Heinrichs Weltruhm. Gleichzeitig verschärfte sich der Bruderzwist.

1923 starb Heinrichs Mutter. 1927 nahm sich seine Schwester Julia das Leben. Im Jahr darauf trennte sich seine Frau Maria von ihm und nahm das gemeinsame Kind Leonie Mann mit zurück in ihre Heimatstadt Prag. Frustriert kehrte Heinrich Mann München den Rücken und zog nach Berlin, wo er sich an der expressionistisch-pazifistischen Bewegung „Aktivismus“ beteiligte. Kurz darauf lernte er seine zweite Frau Nelly Kröger kennen – wie er gebürtig in Holstein und geplagt von stetigem Heimweh. Heinrich machte es nichts aus, dass sie aus einfachen Verhältnissen stammte, aber im großbürgerlichen Familienclan der Manns kam sie nie wirklich an, und sie nahm sich – schwer alkoholkrank – 1944 in Santa Monica das Leben.

Da Heinrich Mann als Sozialist und verfemter Autor ganz oben auf der Liste der Feinde des Nationalsozialismus stand, wurde er bereits 1933 – noch vor dem Reichstagsbrand – aus Deutschland ausgebürgert. Ihm wurden alle Titel und die Staatsbürgerschaft aberkannt. Es begannen wild-hektische Jahre der Flucht – mit Aufenthalten in Spanien, Portugal und in der Tschechoslowakei – in denen er den zweibändigen Historienroman „Die Jugend des Königs Henri Quatre“ und „Die Vollendung des Königs Henri Quatre“ schrieb, Vorsitzender des „Vorbereitenden Ausschuss’ der deutschen Volksfront“ wurde und darüber hinaus Ehrenpräsident der inzwischen verbotenen SPD. Mit seiner Frau Nelly, seinem Neffen Golo Mann und dem Ehepaar Werfel gelang ihm schließlich 1940 die Flucht in die USA. Aber er wurde nie heimisch in seinem Exil, musste von Zuwendungen seines Bruders leben und starb verarmt 1950, noch bevor er nach Ostberlin zurückkehren konnte, wo ihn die Deutsche Akademie der Künste kurz davor zum Präsidenten ernannt hatte.

„Der Atem“, eine Erzählung über die verarmte kommunistische Adelige Lydia Kowalsky, geb. Gräfin von Traun erschien noch 1949 als letzter Roman Heinrich Manns. Der Dialogroman „Die traurige Geschichte von Friedrich dem Großen“ blieb ein Fragment.

P.S.: Mit dieser Heinrich-Mann-Hommage beenden die LiteraturSeiten München ihre Serie über Dichter-Denkmäler in München. Wir würdigten Kurt Eisner, Heinrich Heine, J. W. Goethe, Lion Feuchtwanger, Frank Wedekind, Clemens Brentano, Annette Kolb, Franziska von Reventlow, Franz von Kobell, Oskar Maria Graf und Friedrich Schiller.