Man kann fast darauf warten: Es vergeht kein Monat, dass nicht ein neuer Plagiatsvorwurf durch die Medien geistert. Jüngst traf es die Darmstädter Soziologie-Professorin Cornelia Koppetsch, deren für den Bayerischen Buchpreis nominierter Titel „Gesellschaft des Zorns“ zuerst öffentlich gebrandmarkt und daraufhin vom Verlag zurückgezogen wurde. „Fehlende Quellenbelege“ lautet die Diagnose. Das Unrechtsbewusstsein hält sich in den meisten Fällen aber in Grenzen. Es beginnt schon in der Schule: Referat in Deutsch oder Geschichte? Ist schnell über den Drag & Drop-Button aus Wikipedia zusammengestellt. Und vielleicht heißt es ja schon in ein bis zwei Jahren: „Alexa, kannst du mir bei meiner Hausarbeit helfen?“ Antwort: „Aber gern, wie viele Seiten dürfen es denn sein?“

Die Aufregung über echte oder vermeintliche Plagiate verhält sich allerdings proportional zur Fallhöhe der Angeschwärzten. Handelt es sich um eine attraktive und sehr junge Autorin wie Helene Hegemann, wird ihr das Abschreiben im Erstling „Axolotl Roadkill“ rasch verziehen, zumal wenn sie bald nachlegt und zeigt, dass es auch ohne Übernahmen geht. Ganz zu schweigen von einem Heroen wie Bertolt Brecht, dessen laxer Umgang mit geistigem Eigentum legendär ist.

Bei Politikern hingegen können schon einmal Karriereendglocken läuten. Da geht es dann ja auch zumeist um Doktorarbeiten und der Spaß hört auf. Der politische Gegner findet unter gütiger Mithilfe geschulter Köpfe rasch die Monita. Der Digitalisierung und den Datenbanken mit Namen wie „Plagiat-Scan“ sei Dank. Universitäre Ehrengerichte, ordentliche Gerichte und journalistische Rechercheure laufen zu Hochform auf und prüfen akribisch. So kam Ministerin Giffey noch einmal davon, während Ministerin Schavan in den Vatikan versetzt wurde und der große Hoffnungsträger einer bayerischen Partei in die USA abwanderte. Aber wo sich das Jahr ohnehin zu Ende neigt, ist es an der Zeit, gute Vorsätze zu fassen, die dann bitte auch über 2020 hinaus gelten sollen: immer schön die Quellen angeben, Zitate in Anführungszeichen oder in die indirekte Rede setzen. Unglücklicherweise beherrschen aber immer weniger Menschen den Konjunktiv Eins, das lässt Schlimmes befürchten!

Bernd Zabel