Von Inge Pröll

Katharina Adler ist 41 Jahre alt. Und sie hat es geschafft. Die Münchnerin kann von der Schriftstellerei leben. Das ist außergewöhnlich in einer Zeit, in der Verlage mit Buchangeboten überschüttet werden. Zu verdanken hat die junge Autorin den Erfolg „Ida“, ihrem großartigen ersten Buch, das 2018 bei Rowohlt erschienen ist. Ihr zweites Werk „Iglhaut“ ist auch schon fertig und wird im kommenden Sommer (ebenfalls bei Rowohlt) herauskommen.

„Ida“ ist die Geschichte ihrer Urgroßmutter, die durch Sigmund Freud, dessen Patientin sie kurz war, zu zweifelhaftem Ruhm gekommen ist. Der hatte sie und ihren Fall unter dem Pseudonym Dora in seinem Werk „Bruchstücke einer Hysterie-Analyse“ ausführlich beschrieben. In der Familie Adler war – bis auf einige Anekdoten – nichts über Ida bekannt. Nur zufällig hat Katharina Adlers Vater in den siebziger Jahren davon erfahren, dass Dora Ida war. Denn durch die Emigration der Familie in die USA waren die meisten Erinnerungsstücke und Dokumente verloren gegangen. Aber Idas Urenkelin wurde neugierig. Sie wollte wissen, wer die Frau jenseits der wissenschaftlichen Zuschreibungen und dem ständigen Bezug zu Freud war. Zehn Jahre hat Katharina Adler an dem Buch gearbeitet und akribisch recherchiert. Es ging ihr um jene Zeit der Jahrhundertwende. Sie hat alle Werke Schnitzlers gelesen und sich nicht nur mit ihrer Familiengeschichte, sondern auch mit der Sprache jener Zeit genau beschäftigt. Herausgekommen ist ein vortreffliches Buch mit klarer präziser Sprache. Die Lust am Erzählen merkt man jeder Zeile an.

Der Erfolg ihres Erstlings erfüllt Katharina Adler mit Freude. Wie sie, zierlich und schmal, mit lässig zurückgebundenen Haaren im Cafe sitzt, sieht man ihren hellen, wachen Augen an, dass sie mit sich zufrieden ist. Sie ist aufmerksam und zugewandt, denkt genau nach, bevor sie auf Fragen antwortet.

Die Beschäftigung mit Literatur kommt nicht von ungefähr. Kultur, vor allem Oper und Theater spielen in ihrer Familie immer eine große Rolle. Sie selbst hat in München amerikanische Literaturgeschichte studiert und anschließend am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Sie schreibt Essays, Prosa, Theaterstücke und Drehbücher. „Ich habe mich schon als Teenager an ersten Texten versucht“, erzählt sie. Es war die Liebe zum Lesen, zu Tolstoi und Dostojewski, die sie zum Schreiben gebracht haben. Ihre unbändige Erzähllust kommt vielleicht daher.

Und ihr zweites Buch? „Das hat schon angeklopft, als ich mit ,Ida‘ in den letzten Zügen lag“, meint sie lächelnd. Es ist wieder die Geschichte einer Frau. Aber mit der Vergangenheit ist Schluss. „Ich will jetzt über Frauen von heute schreiben“, sagt sie. „Ihre Probleme und Konflikte und über den Umgang damit.“ „Iglhaut“ ist – so resümiert Katharina Adler – das Gegenstück zu „Ida“. Reine Fiktion dieses Mal. Eine Frau von Heute eben. Und auch ihr drittes Werk hat sie offenbar schon im Blick.

Angst, dass ihr kein neuer Stoff einfällt, hat Katharina nicht. Es soll weitergehen als Schriftstellerin, auch, wenn sie jetzt erst einmal durchatmen will. „Ich schöpfe meine Ideen nicht nur aus mir selbst, sondern aus den vielen Dingen, mit denen ich mich Tag für Tag beschäftige. Der Bedarf an relevanten Frauenfiguren ist groß. Darüber möchte ich schreiben.“ Und wenn ihr doch die Themen ausgehen? „Dann setze ich mich in die Nussbaumstraße“, sagt die gebürtige Münchnerin, „und schaue dem Treiben zu. Da fliegen mir die Themen und Figuren zu.“

Mittlerweile gibt es auch ein zweites Standbein. Nein, nicht Theaterstücke, sondern Drehbücher. Mit Regisseur Rudi Gaul hat sie einen „Tatort“ geschrieben, den das Fernsehen Anfang nächsten Jahres zeigen wird. Die Arbeit im Team hat Katharina Adler sehr gefallen. „Das ist wunderbar. Als Schriftstellerin arbeitet man immer alleine.“ Umso mehr genießt sie nun das Schreiben im Team, „auch wenn wir manchmal um Adjektive streiten. Die Arbeit am Drehbuch ist vielfältiger“, findet sie. „Die Geschichten werden auf vielen Ebenen erzählt, nicht zu vergessen, die visuellen. Das macht mir Spaß.“