Von Monika Scheddin

März 2021 – ein Jahr Corona Pandemie, da sagt mir Pia: „Also ohne meine tägliche Meditation wäre ich nicht klargekommen“.

„Also ohne Yoga hätte ich das Ganze nicht überlebt“, sagt Karen. Sie zuckt nicht mit der Wimper, meint es also völlig ernst.

Hmmh, denke ich. Was hättest du denn gesagt? Vielleicht Kaffee, Kartoffeln und – SCHOKOLADE.

Es ist nicht so, dass ich das mit dem Yoga nicht schon versucht hätte. Immer wieder einmal. Es gibt Hatha Yoga, Yin Yoga, Ashtanga Yoga, Kundalini Yoga, Jivamukti Yoga, Aerial Yoga, Hormon Yoga, Bikram Yoga, Iyengar Yoga. Nur um eine kleine Auswahl zu nennen. Mal mit Meditieren, mal mit Singen, mal mit Stöckchen apportieren und mal musst du bei 40 Grad turnen.

Mal kommst du in eine Schicki-Yogagruppe und denkst: Uih, mir fehlt das richtige Outfit. Mal wirst du ganz high von dem Gestank der Räucherstäbchen. Mal ist es eine Mischung aus Geräte- und Bodenturnen und mal ruft eine heilig entrückte Yogalehrerin ständig „Gut. Gut macht ihr das!“ Ich blicke auf meinen herabschauenden Hund und denke – nee. Da ist definitiv noch Luft nach oben.

„Lass einfach los“, säuselt die Yogalehrerin im nächsten Kurs und ich bemühe mich, genau das nicht zu tun, denn ich verspüre plötzlichen Harndrang. Den einzigen Mann im Kurs scheint das nicht zu interessieren. Wie auf Kommando folgt er der Anweisung „einfach loslassen“ und lässt entspannt einen fahren. Das ist mir persönlich dann zuviel Entspannung.

Sehr gut erinnere ich mich an das erste gemeinsame Seminar mit meiner Kollegin. Ich komme in letzter Sekunde dazu, völlig abgehetzt, in Gedanken noch beim Kundenmailing. Da fordert sie uns alle auf, „erst einmal zur Ruhe zu kommen. Nehmt drei tiefe Atemzüge und spürt eure Sitzhöcker…“

Nee, denke ich. Nicht dein Ernst. Ich komme megagestresst in dieses Seminar, um Wichtiges zu lernen und soll meine Sitzhöcker spüren? Ich hätte sie töten können. Sitzhöcker! Kann es sein, dass es Menschen gibt, die gar keine Sitzhöcker haben?

Auch in einem Schweige-Seminar war ich einmal. Wir mussten drei Mal täglich meditieren und zu den Mahlzeiten wurde geschwiegen. Man durfte sich also null unterhalten. Das mache ich nie wieder. Du kommst morgens in den Raum rein. Da sitzen schon alle im ungemütlichen Sitz, keiner schaut dich an. Keiner grüßt dich. Nach kurzer Zeit tut mir alles weh. „Einfach in den Schmerz hineinatmen“, sagt der Seminarleiter. Und so atme ich in den Schmerz hinein, den ich ohne die Meditation gar nicht hätte.

Oder die Schauspieltrainerin. „Geht durch den Raum, nehmt einfach wahr, bewertet nicht“, sagt sie. Da geht es für mich schon los. Ich sehe Wollmäuse. Ich sehe Spinnweben. Ich sehe einen toten Marienkäfer am Fenster.

Überhaupt ist so eine Seminarsprache erst einmal gewöhnungsbedürftig. Etwas für Eingeweihte. Wenn im Seminar gesagt wird „ich möchte dich einladen“, dann ist Vorfreude das falsche Gefühl. Es ist nicht wie bei uns auf dem Dorf, dass jetzt jemand eine Runde ausgibt. Einladen heißt eigentlich immer, dass du was tun sollst, von dem du vorher sicher warst, es nicht tun zu wollen.

Was man da so alles falsch machen kann! Kennt jemand die „gewaltfreie Kommunikation nach Marshall Rosenberg“? Das bedeutet, dass du keinen zu irgendetwas zwingst, sondern auf Einsicht und Freiwilligkeit baust.

Du sagst also zu deinem Partner nicht mehr, „Egon, du musst noch den Müll runterbringen.“ Das Wörtchen „Muss“ ist ganz schlecht. Und Du-Botschaften auch. Da sind die Leute gleich auf Alarm.

Viel besser sind Ich-Botschaften. Wenn ich also zu Elfriede sage „Ich finde deine Frisur prima“, ist das gut. Richtig gut. Ich-Botschaften sind nicht diskutierbar. Da können die anderen ruhig kommen und sagen: „Ja, aber so eine Mireille-Mathieu-Gedächtnisfrisur ist nicht ganz so günstig bei doppeltem Doppelkinn.“ Dann kann ich immer noch dabei bleiben mit einem selbstbewussten: „Aber mir gefällt’s.“

Nee, man setzt sich erst einmal hin, nimmt ein paar tiefe Atemzüge und verbindet sich mit seinem Bedürfnis. Das ist nämlich gar nicht so einfach. Welches Bedürfnis habe ich, wenn ich will, dass Egon den Müll runterbringt? Und wenn man die Kommunikation dann irgendwann beherrscht, sagt man sowas wie: „Ich habe das Bedürfnis nach Ordnung und wünsche mir, dass sich kein Müll in unserer Wohnung stapelt.“

Da kann man nur hoffen, dass Egon dann gut geschult ist. Meiner würde nur sagen: „Das sind doch die Momente in einer Beziehung, wo wir völlig einer Meinung sind.“

Ich hatte vor nicht allzu langer Zeit ein kleines Konfliktlein am Telefon mit meiner Schwester, die mit Kommunikationsgedöns überhaupt nichts am Hut hat. Ich schwöre, ich habe alles richtig gemacht: bin bei mir geblieben, keine Du-Botschaften und so.

„Klara, ich habe darüber nachgedacht, warum ich mich so schwer damit tue … Mir ist einfach wichtig, dass …“

Vorbildhaft. Wie aus dem Lehrbuch. Stille am anderen Ende.

Dann meine Schwester: „Watt is dat denn fürn Kokolores? Datt glaubste doch selba nich!“

Darüber muss ich erst einmal ein wenig meditieren.

Wenn du wirklich etwas erreichen willst, kann das Prinzip der freundlichen Erpressung die erste Wahl sein.

„Schatz, was wünscht du dir heute zu essen? Erdbeerpfannkuchen? Mache ich dir gerne. Allerdings braucht mein Geist freie Sicht auf Ordnung, um sich den Erdbeerpfannkuchen für dich störungsfrei visualisieren zu können.“

Ist doch gewissermaßen auch eine Art von Bedürfnissprache, oder? Auf jeden Fall funktioniert sie bei Meinem.

Tippi toppi.

 

Der Text ist die gekürzte Fassung der im Münchner Literaturbüro vorgelesenen Geschichte.