Die Verlässlichkeit der Übersetzerin Elisabeth Edl

Die Münchnerin überträgt den Nobelpreisträger Modiano ins Deutsche

Die erste Wohltat, die diese Übersetzung von Stendhals Rot und Schwarz ihren Lesern erweise, sei ihre schlichte Verlässlichkeit, heißt es in Andreas Isenschmids Laudatio auf Elisabeth Edl zur Verleihung des Johann-Heinrich-Voß-Preises 2005. Doch das Eigentliche kommt für ihn erst danach: mit der Berücksichtigung aller sprachlichen Eigenheiten, einer findigen Hellhörigkeit für den Rhythmus, also einem außerordentlichen Gespür für Stendhals Stil und seine Wiedergabe im Deutschen. Alles Selbstverständlichkeiten einer Übersetzung, möchte man meinen. Dass dem nicht immer so ist, damit hält Elisabeth Edl nicht hinter dem Berg. Jüngst ist sie wieder in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt durch den Nobelpreis für Patrick Modiano, dessen Werk sie seit bald 20 Jahren übersetzt.

Angefangen hat Edl mit Simone Weil. Da hatte die gebürtige Österreicherin ein Germanistik- und Romanistikstudium hinter sich sowie sechs Jahre deutsche Sprache und Literatur an der Universität in Poitiers gelehrt. Während sie danach Wirtschaftsdeutsch an der École Supérieure de Commerce unterrichtete, begann sie zusammen mit Wolfgang Matz bei Hanser die Herausgabe und Übersetzung der Cahiers von Simone Weil: „Keine leichte Aufgabe, aber wir saßen nebeneinander am Schreibtisch, und jeder konnte Einspruch erheben gegen Vorschläge des anderen, und so haben wir das Übersetzen gemeinsam erlernt.“ Für den ersten Band – es sind im Ganzen vier – erhielten die beiden absoluten Neulinge 1992 den Paul-Celan-Preis.

Das war die erste einer beachtlichen Reihe von Auszeichnungen, darunter die Ernennung zum Chevalier de l’Ordre des Arts et des Lettres in Frankreich und zum Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Edls Umgang mit all diesen Ehrungen klingt pragmatisch. „Preise sind immer sehr gut, denn sie sind Anerkennung und Teil der Kalkulation. Ein schwieriges Buch, das lange dauert, finanziert sich dadurch leichter. Vor allem aber erlaubt mir diese Anerkennung, nur die Bücher und Autoren zu machen, an denen mir wirklich etwas liegt.“ Und besonders wichtig: „Ich empfehle Übersetzern, die erst am Anfang stehen, auf einen Brotberuf nicht zu verzichten. So wie ich das lange Zeit mit meinem Lehrberuf auch gemacht habe. Das war anstrengend, aber es hat mir die Unabhängigkeit verschafft, nicht jedes Buch annehmen zu müssen. So konnte ich mich auf die wirklich guten konzentrieren.“

Edl liebt ihre Arbeit, den Umgang mit Sprache, die Begegnung mit Autoren. Sie geht auf die Suche nach Büchern, macht den Verlagen Vorschläge. Früher habe sie auch mehr Gutachten geschrieben und sei auf diese Weise zu ihrer ersten Modiano-Übersetzung gekommen. (Der letzte Roman Gräser der Nacht ist gerade bei Hanser erschienen.) Seine Bücher, sagt sie, haben immer etwas von gesprochener Sprache, seien zugleich aber sehr poetisch. Und nennt als Schwierigkeit, dass man in der deutschen Sprache „allzu leicht in einen gehobenen Ton verfällt, der Modiano nicht entspricht“. Mit den Autoren zu sprechen, ist für sie ein ganz besonderes Vergnügen: „Philippe Jaccottet ist selber ein hervorragender Übersetzer, und bei seinen Gedichten können wir lange über ein Adjektiv diskutieren, für das in der Übertragung vier verschiedene Synonyme zur Verfügung stehen.“

Den großen Wurf landete Elisabeth Edl mit den beiden Klassikern Stendhal und Flaubert. Hatte sie das Gefühl, dass es noch besser gehen müsse als in allen bereits vorliegenden Übersetzungen? Bei Flauberts Madame Bovary sind es an die dreißig. „Ja – klipp und klar. Sie mir erneut vorzunehmen lag an meiner Entscheidung für meine Lieblingsbücher und der Vorstellung, wie sie auf Deutsch klingen müssten. Und keine der bisherigen Übersetzungen entsprach dieser Vorstellung. Stendhal erzählt episch, aber sein Stil ist kurz, knapp, klar, manchmal schroff, immer präzise. Es heißt, er habe jeden Tag, bevor er sich ans Schreiben machte, im Code Civil, dem Bürgerlichen Gesetzbuch, gelesen, um sich auf diesen Stil einzustimmen. Und genau das wollte ich ins Deutsche hin-überbringen, ebenso wie Flauberts Anspruch, jeden Satz so zu komponieren wie den Vers in einem Gedicht. Flaubert ist es gelungen, aus dem Roman ein hohes Genre zu machen, so wie es bis dahin nur Gedicht und Drama waren. Das lassen die früheren Übersetzungen nicht erkennen.“ Weitere Klassiker kommen für sie vorläufig nicht in Betracht. Balzac sei vom Stil her nicht so verlockend wie Flaubert und für Proust sehe sie gerade keine Notwendigkeit, da ja eine großartige Übertragung vorliege. Als nächstes hat sie sich L’Éducation Sentimentale, Flauberts zweiten großen Roman, vorgenommen. Man darf gespannt sein, welche Wohltat Elisabeth Edl den Lesern diesmal mit ihrer „Verlässlichkeit“ erweist.
Katrina Behrend Lesch

Elisabeth Edl spricht am 16. Dezember um 20 Uhr im Literaturhaus über Modiano.