Winterleiden und Winterfreuden rund um das Weihnachtsfest, das schildern die acht Autoren, die wir diesmal für unser Weihnachtsrätsel aus drei Jahrhunderten für Sie ausgesucht haben – wir wünschen wieder viel Vergnügen und Leseanregung für die stille Zeit!

1. Der politisch verfolgte Autor promovierte über Fischnerven, revoltierte, verstarb, als es gerade richtig losgehen sollte.
Er kam bald vom Weg ab, und eine sanfte Höhe hinauf, keine Spur von Fußtritten mehr, neben einem Tannenwald hin, die Sonne schnitt Kristalle, der Schnee war leicht und flockig, hie und da Spur von Wild leicht auf dem Schnee, die sich ins Gebirg hinzog. Keine Regung in der Luft als ein leises Wehen, als das Rauschen eines Vogels, der die Flocken leicht vom Schwanze stäubte. Alles war so still, und die Bäume weithin mit schwankenden weißen Federn in der tiefblauen Luft.

2. Ein moralisch-literarischer Gigant von solchem Einfluss, dass Thomas Mann von ihm sagte , hätte der noch gelebt, hätte der Krieg sich nicht getraut, auszubrechen.
… sie alle betrachtete Lewin als auserwählte Günstlinge des Glückes, weil ihnen vergönnt war, hier in Kittys Nähe zu sein. Aber alle diese Schlittschuhläufer, schien es, waren dabei von der größten Seelenruhe, holten sie ein, überholten sie, redeten sogar mit ihr und vergnügten sich ganz ohne Rücksicht auf sie, indem sie sich das vorzügliche Eis und das schöne Wetter mit Lust zunutze machten.

3. Der körperlich und seelisch schwer leidende Autor gilt als Poet der menschlichen Isolation, des Surrealen oder auch der Gottessuche.
… starkes Schneegestöber füllte den weiten Raum zwischen mir und ihm; einen Wagen hatte ich, leicht, großräderig, ganz wie er für unsere Landstraßen taugt; in den Pelz gepackt, die Instrumententasche in der Hand, stand ich reisefertig schon auf dem Hofe; aber das Pferd fehlte, das Pferd. Mein eigenes Pferd war in der letzten Nacht, infolge der Überanstrengung in diesem eisigen Winter, verendet.

4. Der Verzweiflungsschriftsteller schlechthin, der uns mit dem wieder und wieder Überdrehen der Negativ-Schraube oft zum Lachen bringt vor Entsetzen. Gedichte, Dramen, Romane.
„Ein Schneetreiben ist absolut ein Vorgang des Todes…aber was ist ein Schneetreiben? Wie kommt es zustande? Auflehnung, woraus dieses Wunder besteht…meine ganze Schilderung ist ja nichts als Angst, nichts als eine kindische Angst vor einem ungewöhnlichen Schauspiel…“ Der Ingenieur hatte den Maler auf der Straße liegend aufgefunden und in seinen Wagen gesetzt und mitgenommen. „Ohne den Ingenieur wäre ich umgekommen in diesem Schneetreiben“, sagte er.

5. Er wollte mehr und bessere Romane schreiben als sein Vorbild (siehe 2.); es gelang zwar nicht, aber er bekam den Nobelpreis, der andere nicht.
… die Knöchel aneinander gedrückt, liefen wir ganz tief geduckt, überließen uns der Geschwindigkeit und glitten endlos, endlos im stillen Zischen des körnigen Pulverschnees. Es war schöner als jedes Fliegen oder sonst irgend etwas, und wir entwickelten die Fähigkeit, es zu tun und zu genießen durch die langen Aufstiege mit den schweren Rucksäcken, die wir trugen. Wir konnten den Aufstieg weder erkaufen noch ein Billet zum Gipfel nehmen.

6. Er schreibt keine Pageturner, weder auf Handlung noch auf Psychologie kommt es ihm an: Nur Stil und Beobachtung des Augenblicks. Vielleicht sollte man sein Urteil über ihn gelegentlich überprüfen.
„Keine Ekstase !“ (Nie mehr Ekstase) Um diese zu bezwingen, suchte er im Gelände nach einem Anhaltspunkt. Im besonnten Graben bildete der Schnee eine schimmernde Furche: die schönste Frau, die er je gesehen hatte. Ein unwillkürlicher Schrei, und aus einem Gebüsch kam sogar ein kleines Echo zurück. Schwermut und Geilheit erfaßten Sorger.

7. Engländer, treibt sich viel in Italien herum, und manche halten ihn für einen der besten lebenden Schriftsteller überhaupt.
Vielleicht ist der Schnee mein Element, dachte er. Einen Augenblick lang stellte er sich vor, wie er unter dem Weiß begraben war. Die stetig fallenden Flocken würden die Falten seiner Jacke und Hose ausfüllen und ganz langsam den Berg aus Fleisch, der Harold Cleaver war, mit einer weichen, weißen Schicht zudecken. Der Gedanke kam ihm seltsam luxuriös vor.

8. Die Autorin überrascht ihre Leser nur einmal pro Dekade mit unterhaltsamer, präzise beobachtender Dialog-Prosa, immer preis- und bestsellerverdächtig.
„Fröhliche Weihnachten“ brüllte er, und dann nahm er ein Schmucketui aus der Tasche und schob es zu Xandra hinüber. Boris und mir warf er zwei Bündel Zwanziger (500 Dollar für jeden!) quer über den Tisch. … Und obwohl in der uhrenlosen, klimagesteuerten Casino-Nacht Wörter wie „Tag“ und „Weihnachten“ ziemlich sinnlose Konstrukte waren, erschien mir inmitten der bunt klingenden Gläser der Gedanke an Glück gar nicht so untergangsbedroht oder fatal.

Auswahl : Wolfram Hirche

Lösung des Rätsels auf Seite 4