Elf Anfänge aus literarischen Werken deutscher Sprache zwischen 1810 und 2013 – Anfänge, die meist so pointiert sind, dass sie als Keimzelle der folgenden 30 bis 3000 Seiten wirken. Wir wollten Ihnen, unseren Leserinnen und Lesern, die spielerische Chance geben, daraus Autor/in und Werk zu erraten und wünschen Ihnen dabei viel Vergnügen!

  1. Der Autor, von den Zeitgenossen nicht geschätzt, heute auf allen Bühnen präsent, beendete in jungen Jahren freiwillig und „freudig“ sein Leben:
    An den Ufern der Havel lebte um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts ein Roßhändler, namens …, Sohn eines Schulmeisters, einer der rechtschaffensten zugleich und entsetzlichsten Menschen seiner Zeit.
  1. Nach jahrzehntelangem Zögern legte der Autor seinen Reisebericht endlich vor und enttäuschte damit die meisten Zeitgenossen:
    Früh drei Uhr stahl ich mich aus Karlsbad, weil man mich sonst nicht fortgelassen hätte.
  1. Anfangs war er Apotheker, dann freier Schriftsteller, Journalist und Theaterkritiker in London. Seinen ersten Roman veröffentlichte er erst mit 59 Jahren, viele weitere folgten:
    Es war Weihnachten 1812, Heiliger Abend. Einzelne Schneeflocken fielen und legten sich auf die weiße Decke, die schon seit Tagen in den Straßen der Hauptstadt lag.
  1. Der Versicherungsabteilungsleiter im Brotberuf hat diesen Roman aus der Trilogie der Einsamkeit nicht mehr vollendet und wollte ihn nicht veröffentlichen:
    Als der sechzehnjährige Karl Roßmann, der von seinen armen Eltern nach Amerika geschickt worden war, weil ihn ein Dienstmädchen verführt und ein Kind von ihm bekommen hatte, in dem schon langsam gewordenen Schiff in den Hafen von New York einfuhr …
  1. Die Anregung, der alten Erzählung einen neuen Ton zu verleihen, bekam der Autor von einem Maler. Er plante eine Novelle, aber dann schrieb er in „siebzigtausend strömenden Zeilen“ seinen umfangreichsten Roman:
    Tief ist der Brunnen der Vergangenheit.
  1. Ein Tag im München des Jahres 1949 in einem Deutschland, das der Autor sehr skeptisch im Spannungsfeld der Großmächte sieht, atmosphärisch ungeheuer dicht. Der erste Roman einer Trilogie, nach der man – vergeblich und jahrzehntelang – noch Großes von ihm erwartete:
    Flieger waren über der Stadt, unheilkündende Vögel. Der Lärm der Motoren war Donner, war Hagel, war Sturm. Sturm, Hagel und Donner, täglich und nächtlich Anflug und Abflug, Übungen des Todes, ein hohles Getöse, ein Beben, ein Erinnern in den Ruinen.
  1. Eine Liebe zwischen Westdeutschland und Ostberlin, der Mauerbau, ein Scheitern, für das der Autor nur 113 prägnante Seiten brauchte, während er später über New York sich auf tausenden von Seiten ausbreitete:
    Der junge Herr B. konnte die Hand auf großes Geld legen und kaufte einen Sportwagen.
  1. Der aussichtslose Kampf der Arbeiterinnen um sozialen Aufstieg über den Mann wird von der Autorin in einer harten Sprache rücksichtslos Punkt für Punkt seziert und abgehakt. 2004 erhielt sie für ihr Gesamtwerk den Nobelpreis:
    Eines tages beschloß brigitte, daß sie nur mehr frau sein wollte, ganz frau für einen typ, der heinz heißt.
  1. Der junge Hans wird in der Datscha seines Vaters von der Vergangenheit eingeholt, von Faschismus und Selbstjustiz. Der Autor reussierte später u.a. mit einer intelligenten Berliner Anwaltsserie im Westfernsehen.
    Vor einem Jahr kam mein Vater auf die denkbar schwerste Weise zu Schaden, er starb.
  1. Jugendliche Autorin, Debutroman, im ersten Halbjahr 2010 der große
    literarische Skandal, weil sie angeblich ganze Passagen aus einem anderen Werk plagiiert hatte, Drogen, Sex, Wohlstandsverwahrlosung – sofort Bestseller!
    Ok., die Nacht, wieder mal so ein Ringen mit dem Tod, die Fetzen angstgequälten Schlafens, mein von schicksalsmächtigen Orchestern erbebendes Kinderzimmer und all diese Einbrecherstimmen aus dem Hinterhof, die unausgesetzt meinen Namen schreien.
  1. Zeitgenössischer Philosoph bekommt plötzlich Besuch von einem Tier, das ihn fortan beäugt, besucht, womöglich schweigend kritisiert?
    Raffiniertes Spiel mit Erzählpositionen und philosophischen Fragestellungen.
    B… hatte gerade eine neue Kassette zur Hand genommen, um sie in das Aufnahmegerät zu stecken, da blickte er von seinem Schreibtisch auf und sah ihn. Groß, gelb, atmend; unzweifelhaft ein Löwe.

Auswahl: Wolfram Hirche

Des Rätsels Lösung:

  1. Heinrich von Kleist,
    Michael Kohlhaas, 1810
  2. Johann W.von Goethe,
    Italienische Reise, 1816 – 1829
  3. Theodor Fontane,
    Vor dem Sturm, 1878
  4. Franz Kafka,
    Amerika, 1927
  5. Thomas Mann,
    Joseph und seine Brüder, 1933 – 1943
  6. Wolfgang Koeppen,
    Tauben im Gras, 1951
  7. Uwe Johnson,
    Zwei Ansichten, 1968
  8. Elfriede Jelinek,
    Die Liebhaberinnen, 1975
  9. Jurek Becker,
    Bronsteins Kinder, 1988
  10. Helene Hegemann,
    Axolotl Roadkill, 2010
  11. Sibylle Lewitscharoff,
    Blumenberg, 2013