Ein Königreich für ein Buch

„Buchpalast“ – die Haidhauser Lieblingsbuchhandlung von Christoph „Stofferl“ Well

Mut und Witz bewiesen Katrin Rüger und Friederike Wagner, als sie ihre vor eineinhalb Jahren eröffnete Buchhandlung auf den Namen „Buchpalast“ tauften. Nun prangt einem der Name auf dem Weg von der U-Bahn-Station am Max-Weber-Platz in die Kirchenstraße entgegen, umkränzt vom reichen Blüten- und Blattwerk einer Glyzinie. Ein Hingucker schlechthin und eine Anspielung auf das nahe gelegene Maximilianeum, dem Sitz der Politik, indes sie sich als den Sitz der Kultur begreifen. Eine Portion Ironie schwingt dabei mit, denn das Lädchen umfasst gerade mal 43 Quadratmeter. Was die beiden Frauen nicht anficht, die Spielerei mit dem Namen augenzwinkernd noch ein bisschen weiter zu treiben. Durch ein Säulenportal gelangt man in den „Spiegelsaal“, ein Drache bewacht wie vor einem Märchenschloss den Eingang. Er hat bewegliche Augen, die man auf- und zuklappen kann, und das tun dutzende Male am Tag die vorbeilaufenden Kinder. Viele kommen in den Laden, holen sich Bücher aus den Regalen, hocken sich auf die umlaufenden Bänke, das Sofa oder einfach auf den Boden.

Ob Lesemuffel oder Bücherfresser, Katrin Rüger weiß sie zu nehmen. Aus eigener Erfahrung, als Kind mochte sie Lesen nicht so gerne, auch weil man da still sitzen musste und sie lieber auf Bäume kletterte. Jetzt ist sie mit Herz und Seele dabei, Kinder zur Literatur zu verführen, das besondere Konzept des Buchpalastes. „Begibt man sich in Augenhöhe mit ihnen, bekommt man einen wunderbaren Blick auf die Welt“, sagt sie. Acht Jahre arbeitete sie in der Jury des Deutschen Kinder- und Jugendbuchpreises. Jetzt leitet sie den Buchclub „Die Bücherfresser“, die in der Jugendjury des Deutschen Jugendliteraturpreises ihr fachjugendliches Votum abgeben. Was sie gelesen und beurteilt haben, landet natürlich auch in den Regalen des Buchpalastes. Oft mit kleinen Etiketten beklebt, auf denen in ein paar Worten die Essenz des Buches steht. Eine Mühe, die den Laden auszeichnet, im zweiten Jahr seines Bestehens wurde ihm im Rahmen des Deutschen Buchhandlungspreises bereits das Gütesiegel für eine herausragende Buchhandlung verliehen.

Dieses im wahrsten Sinne bezaubernde Engagement beseelt auch Friederike Wagner, zuständig für Belletristik und andere Schätze wie Koch-, Kunst- und Reisebücher. Sie stammt aus einer Buchhändlerfamilie und liebt die Arbeit in ihrer kleinen Buchhandlung. Nähe, Intimität, anregende Gespräche, Bücher, Lust, Lesen – das gehört für sie zusammen. Was sie nicht kennt, worüber sie nichts erzählen kann, geht nicht über den Ladentisch. Auf Hinweise ihrer Kunden reagiert sie lieber als auf Bestsellerlisten und Mainstream-Titel. Jedes Buch ist eine Herzensangelegenheit, deswegen soll es auch unbedingt an den richtigen Leser gelangen. Um das herauszufinden, „entwickeln wir geradezu erzählerische Leidenschaft, wenn wir unseren Kunden ein Buch empfehlen.“

Es ist dieses besondere Flair, das Christoph „Stofferl“ Well von der ehemaligen Biermösl-Blosn immer wieder in die Buchhandlung zieht. „Wenn ich ein bestimmtes Buch suche, der Buchpalast findet es. Er ist in meiner Nähe, und die Betreiberinnen sind sehr charmant, hilfsbereit und freundlich.“ Er steht da auch gern nur so herum und atmet die gute Luft ein, „weil Bücher riechen einfach herrlich.“ Das viel Musik spielende Kind, das er war, hat trotzdem nachts unter der Bettdecke mit einer Taschenlampe heimlich gelesen. „Das ist für mich schon immer eine schöne Beschäftigung gewesen, ein bereicherndes Eintauchen in Geschichten, Gegenden, Gedanken und Empfindungen, halt in eine Welt, die sich mir beim Lesen öffnet und mitteilt. Ich freue mich immer, wenn sich mir jemand mitteilt, auch in der Form eines Buches.“ Gerade tourt er mit Mozarts Bäsle-Briefen durch die Republik, spürt den Wörtern auf seine eigene Weise nach, hat eine CD mit Liedern zum Tod herausgebracht. „Das Wort, oder die Idee, war ja zuerst da, gell. Ich versuche das Wort mit Hilfe meiner Musik hörbar zu machen, ihm einen Weg in das Bewusstsein und Herz des Zuhörers zu bahnen.“

Seit der Auflösung der Biermösl-Blosn tritt Christoph Well in diversen anderen Formationen auf, kann dabei aber immer auf den schier unerschöpflichen Familienpool zurückgreifen. „Eine Familie wie unser ‚Wellperium‘ gibt eine große Sicherheit, die Möglichkeiten sind wirklich sehr groß und vielschichtig. Man kann sich aufeinander verlassen und vertrauen. Und man kann mittlerweile auch daraus ausbrechen, sein ‚eigenes Ding‘ machen, ohne verstoßen zu werden. Nächstes Jahr werden wir mal wieder mit unseren Freunden von den Toten Hosen und dem Polt Gerhard ein Programm machen, ich besuche mit meinem Motorrad und dem BR wieder bairische Städte, spiele in meiner BR-Sendung ‚Wellmusik‘ meine Lieblingsstücke, trete mit meinen Geschwistern auf, lese viele viele Bücher … und ich kann’s schon fast nicht mehr erwarten, was sich sonst noch ergibt.“

Katrina Behrend Lesch

P.S.: In unserer Serie „Meine Lieblingsbuchhandlung“ haben wir bislang u. a. Lehmkuhl mit Hans Magnus Enzensberger, die Autorenbuchhandlung mit Albert Ostermaier, Colibris mit Dagmar Leupold und Literatur Moths mit Thomas Jonigk und Christof Loy vorgestellt.