Freizeit wird furchtbar überschätzt, keiner hier will sie im Grunde. Oder, wie Sebastian Haffner in seinen Erinnerungen 1939 schrieb, der Deutsche ist für die Freizeit „nicht begabt“, er – mit Ausnahme einer dünnen Bildungsschicht – hat nur Arbeit im Kopf. Oder Fernsehen, wie wir heute angesichts der 1.000 „Tatort“- Folgen wissen, die uns mit jeweils ein bis drei Morden seit 1970 den Sonntagabend versüßen. Nur wenige Zeitzeugen berichten noch von einer Zeit ohne Fernseher. Allerdings – doch davon später – hat er, der gern zitierte „Deutsche“ inzwischen das Schreiben entdeckt. Das Lesen betreibt er eher widerwillig, wenn er aus Abscheu vor dem TV-Programm zu Kirchhoff greift, Walser oder Hera Lind.

Freizeitverhalten – auch unsere großen Klassiker haben uns da nicht wirklich vorangebracht, oder? Von Schiller heißt es, er habe an modrigen Äpfeln in der Schublade geschnuppert, aber ansonsten gearbeitet, nichts als gearbeitet! Obwohl, ein Blick auf die Liste der Weine, die sein (Siez-)Freund Goethe von Weimar nach Jena kommen ließ, in jenen fruchtbaren Jahren, als der Weimarer vor allem in Jena wohnte, lässt schon ahnen, was die beiden so nach Dienstschluss. Männergespräche eben, um die Welt zu retten! Alkoholiker wären wir alle längst, würden wir uns daran halten! Goethe reiste immerhin, verbrachte Tage in ruckelnden Kutschen, träumend, lauschte Bach & Söhnen oder dem frühen Mozart auf Youtube, als es südwärts ging, 1786. Weder Cohen noch Dylan lieferbar, damals, magere Zeiten! Aus lauter Langeweile spielte er an seiner Pistole herum und wurde in Malcesine prompt mit dieser „Terzerole“ erwischt, einem kleinen Vorderlader, der ihn natürlich höchst verdächtig erscheinen ließ.

Die Kunstbetrachtungen oder Gesteinsstudien waren nichts für den einfachen Mann, für den gab das nichts her, so kam es, dass die Deutschen ewig arbeitssüchtig schienen und total freizeitfremdelten. Sie trieben nach Haffner auch deshalb in die Netze politischer Extremisten. Das ist heute anders, heute sind wir ein einziger gefestigter Freizeitpark. Einige wenige Dichter haben‘s uns vorgemacht! Hemingway raste durch den Tiefschnee die Hänge von Schruns hinunter, Thomas Mann ließ Felix Krull Tennis spielen, und Martin Walser, ein Autor des einfachen Bürgermilieus, entdeckte das Segeln nach entflohenem Pferd. Die Literatur hatte endlich nicht nur die hohe und niedere Minne sondern Sport und Freizeit als Thema entdeckt! Besser noch: Jeder Leser will jetzt selbst schreiben. Es wird überall hineingetippt, in Phones, Tablets oder Laptops, die Agenturen werden mit Manuskripten überschwemmt, die Verlage ertrinken fast und klicken das meiste einfach weg!

Jetzt aber: Weihnachten ad portas. Schnell noch etwas Glühwein nippen am Weihnachtsmarkt, in Goethes Namen, und packen wir die Freizeit für dieses Jahr nochmal, nun ja, in trockene Tücher.
WH