Lesebühne für gute Unterhaltung: Haidhauser Literaturbox1

Rot- und Blautöne, Dämmerlicht, und natürlich ein Tisch, eine Lampe, ein Mikro und ein Glas Wasser. Und gar nicht natürlich, sondern eher ungewöhnlich: Beleuchtete Glaskästen mit Scherenschnitten an den Wänden. Die märchenhaften Motive aus 1001 Nacht tragen sicher ihren Teil dazu bei, dass es dem Zuhörer in der Literaturbox1 im KiM Kino im „Einstein Kultur“ ganz schnell, fast zwangsläufig ‚passiert‘, dass er dem Vorleser folgt in seine Welt. Und dass gleich zweimal an einem Abend. Denn in Haidhausen lesen einmal im Monat jeweils zwei Autoren aus ihren Werken.

Verantwortlich für dieses in seinen Äußerlichkeiten ganz traditionelle, und doch immer wieder überzeugende Format ist Petra Lang, die gemeinsam mit ihrem Mann Hellmuth Lang jeden zweiten Samstag im Monat im KiM (Kino im Museum) im Kulturzentrum in der Einsteinstraße 42 Lesungen organsiert. Für die Haidhauser Literaturbox1 (der Name lässt sich mühelos zu Literaturbox1tein ergänzen) sichtet Petra Lang laufend Texte von Autoren, die bereits veröffentlicht haben, gern in Kleinverlagen, Literaturzeitschriften oder im Eigenverlag und im Internet. Die Textproben dürfen maximal 20 Seiten lang sein, die Lesung darf bis zu 40 Minuten dauern.

Petra Lang ist die Seele dieses Formats. Um es am Leben zu erhalten, pflegt sie einen intensiven Email-Verkehr. Mit Honorar und Reisekostenerstattung kann sie nicht werben. Der Eintritt kostet fünf Euro, die Autoren müssen sich teilen, was die Zuhörer investieren. An lesewilligen Autoren mangelt es dennoch nicht. Die Lesungen sind bereits für ein halbes Jahr im Voraus garantiert.

Petra Lang kann inzwischen auf ziemlich genau vier Jahre Literaturbox1 zurückblicken. Als sich 2012 die Künstlergruppe Einstein 28, der sie als Malerin angehörte, auflöste, weil das Haus abgerissen wurde, erhielt sie das Angebot, das KiM Kino im Einstein mit einer Lesebühne zu bespielen. Sie nahm an, schließlich handelte es sich um einen Lebenstraum: Autoren in ihrem Schaffensprozess zu begegnen, die oft noch druckfrischen Texte zu lesen und aufzunehmen, ihnen Öffentlichkeit zu verschaffen. Eine Menge Neugier gehört dazu, eine Lust auf Entdeckung von Geschichten, die spannend sind, Witz und Tempo haben, und gern auch „schräg drauf“ sind, wie die Münchner Literatur’agentin‘ formuliert. Die Texte, die sie auswählt, dürfen alles, nur nicht langweilen. Sie dürfen experimentell, theatralisch oder lyrisch sein. Sie müssen die Zuhörer entführen.

Am 10. November 2012 ging es dann los mit der Lesereihe. An die 80 Autoren sind inzwischen dort aufgetreten. Für Spannung sorgt nicht zuletzt auch das spezielle Arrangement von Petra Lang. Sie kombiniert immer zwei Autoren. Die jeweilige Lesezeit endet, bevor der Zuhörer sich abwenden kann. Die Genres der beiden Autoren sollten sich reiben. So war es beispielsweise im November. Der Filmschauspieler Wilhelm Manske las „Der Mechaniker“ von Christian Callo: Erwin, der Mechaniker, monologisiert über seine Liebe zu Motoren und enthüllt seine Einsamkeit; ein beruhigendes Ende wird den Zuhörern verwehrt. Im Anschluss beschrieb Susanne Rößner in ihrem Oberbayern-Krimi „Sparifankerl“ in sich abwechselnden Erzählsträngen ein Täterumfeld in Rosenheim und die Arbeit der Ermittler. Das Ergebnis: ein berührender und kurzweiliger Literaturabend.

Am 10. Dezember um 20 Uhr treten in der Haidhauser Literaturbox1 Stephan Peter Johannes Cramer und Frank Strick auf. Cramer liest aus seinem gerade fertig gewordenen Jugendroman „Alles fließt in Jackos Welt“ und Kurzgeschichten aus seinen „Büchslpüechern Classisches Inhaltes“ mit Bildern, Beamer und Powerpoint. Strick stellt seinen gerade erschienenen Roman „Null Jahreszeiten“ vor, der sich des Grauens eines Weihnachten in Berlin annimmt – Vergnügen und Erschauern inbegriffen.

Ursula Sautmann

P.S. In unserer Serie „Münchens literarische Orte“ sind bisher erschienen: Substanz, Autorengalerie, La Cantina, Vereinsheim und das Streitfeld