Auch Monika Mann gehörte zu den Mann-Kindern! Von den Eltern, Thomas und Katja Mann, wie den Geschwistern wird sie kaum beachtet
und despektierlich behandelt. Kerstin Holzer widmet ihr jetzt, voller Empathie, ein ganzes Buch.

Von Katrin Diehl

Es gibt wohl keine zweite deutsche Künstlerfamilie, die so von Spannungen durchzogen, so von eigener Dynamik getrieben und geprägt war, wie „die Manns“. Und dabei war der Literaturnobelpreisträger Thomas Mann – ganz Familienoberhaupt – bei weitem nicht der alleinige „Verursacher“ der familiären Schieflage, auch wenn er es gewesen sein mag, der für all seine Kinder unerreichbare, künstlerische Maßstäbe vorgelegt und sie damit unter Druck gesetzt hat. Die Münchner Autorin und Journalistin Kerstin Holzer schrieb jetzt ein Buch über das vierte der Mann-Kinder, Monika Mann, in dem wir eine erschreckend harte, geradezu brutale Seite der Mutter Katja wie auch der Schwester Erika kennenlernen. Die erzählerische Biografie rückt die Zeit Monika Manns auf der Insel Capri ins Zentrum, auf der sie 31 Jahre lang gelebt hat, an ihrer Seite der Fischer- und Maurersohn Antonio Spadaro, ein Mann, der sie, seine „Monascella“, vielleicht streckenweise so etwas wie glücklich machte und in dessen wunderbarer „Villa Monacone“ mit Blick auf die vorgelagerten vier Faraglioni sie Mitte der 50er Unterschlupf gefunden hatte. Von diesem sonnigen Ort aus, zu dem Monika Mann der Schriftsteller Rolf Schott geraten hatte, lassen sich entlang von Ereignissen Fäden zurückverfolgen zu deren gelebtem Leben, so dass ihr Wunsch nach Flucht – weg von der dominanten Familie und hin zu einer Insel – völlig nachvollziehbar herüberkommt. Ihre zärtliche Zugewandtheit zu einem Menschen, zu Antonio, der nichts von irgendwelchen Literaturpreisen, hoher und höchster Kultur etc. wusste, lässt sich aus bisher unveröffentlichten Briefen und Postkarten lesen, die in der Monacensia archiviert sind und die Kerstin Holzer einsehen konnte.

Kerstin Holzer schreibt über Monika Manns Leben so einnehmend, schlüssig, allwissend und lückenlos, dass man gar nicht darauf kommt, dass alles auch ein wenig anders hätte gewesen sein können. Man folgt ihr willig, wie man ihr auch schon in ihrer Biografie zur jüngsten Mann Tochter Elisabeth Mann Borgese aus dem Jahr 2003 gefolgt ist.

Monika Mann war die Unbeliebte, war die Außenseiterin, das Halb-talentchen“, „das Dummerle“, die mit Zuschreibungen wie „uninteressiert und faul“ leben musste.

Die Nähe der Mutter kommt ihr so langsam wie schmerzlich abhanden, nachdem sie ihre musikalischen, schriftstellerischen Talente, die sie durchaus besaß, als Heranwachsende nicht mehr bereitwillig – so wie die extrovertierten Geschwister – zum Vortrag bringen konnte und wollte. Sie wurde scheu und geriet ins vollkommene Abseits der Familie, hatte kein anvisiertes Ziel wie ihre Brüder und Schwestern, sondern mäanderte durchs Leben.

Monika Mann entsprach nicht dem Bild der Frau, das man in der Mann-Familie von den weiblichen Mitgliedern erwartete wie kultivierte:  Entschlossen, hart, bestimmt, androgyn sollte frau da sein. Monika zog sich gerne hübsch an, ließ ihr Haar in Locken fallen, weshalb sie sich „die Pudelmoni“ nennen lassen musste. Es verwundert daher nicht, dass es Monika Mann bald wegtrieb, wobei Schicksalsschläge sie oft wieder zurückbrachten in die kalte, familiäre Umarmung. Ein deutsches U-Boot-Torpedo hatte das Schiff getroffen, mit dem Monika zusammen mit ihrem Mann Jenö Lányi hatte vor den Nazis nach Kanada fliehen wollen. Monika Manns Mann ertrinkt vor ihren Augen, sie treibt über zwanzig Stunden im Wasser, neben ihr Menschenleichen, was die Schwester Erika nach einem Besuch bei Monika im Krankenhaus mit kühler Knappheit „Monika freut sich, überlebt zu haben“ kommentierte. Dass Monika Manns Erinnerungen mit Titel „Vergangenes und Gegenwärtiges“ (1956) in den Feuilletons besser besprochen wurde als Erika Manns beinahe zeitgleich erschienenes Buch „Das letzte Jahr“ über den gerade verstorbenen Vater, ließen Mutter und Schwester vor Wut kochen.

Kerstin Holzer:
Monascella – Monika Mann und ihr Leben auf Capri
200 Seiten
dtv, München 2022
18,99 EURO