by LiSe | 26. Feb 2023 | Blog, Kurzgeschichte
Von Paul Holzreiter
Der Kies knirscht, die Sonne blinzelt durch die Kastanien, der Willi, eben noch vor mir auf den Biertisch hingelümmelt, kriegt auf einmal einen weiten Blick. Er rappelt sich hoch, richtet sich hinter seiner Mass auf: „Ich bin ein Chamäleon.“
Ein Chamäleon? Der Willi? Wie kommt er denn da drauf? „Kack“, sage ich, „kack, bist du ein Chamäleon. Du bist der Willi!“ (mehr …)
by LiSe | 28. Jan 2023 | Blog, Kurzgeschichte
Von Ray Mohra
Um ins Laternchen zu gelangen, musste man nicht nur die massive Außentür aufziehen, sondern auch einen dicken, braunen und im Halbrund aufgehängten Vorhang zur Seite schieben, der wohl verhindern sollte, dass frische Luft von draußen hineingelangen konnte. Wer als Fremder zum ersten Mal das Laternchen betrat, hatte sich auf eine gewaltige Überdosis 1. FC Köln gefasst zu machen. Die Kneipe war voll mit Devotionalien des Vereins. Mannschaftsfotos von den Anfangszeiten der frühen 50er Jahre bis zur aktuellen Saison 1984 hingen beinahe überall. Über dem Tresen waren mehrere Vereinswimpel befestigt und ein Geißbock mit einer Decke auf dem Rücken, auf der Hennes stand, war der Blickfang im Thekenbereich. Die Luft hier drinnen hatte schon etwas Körperliches, es roch nach Zigaretten und Bier und der Lärmpegel der Kneipengäste wurde nur durch die Rock-Ola Musikbox übertroffen, die ihre rund siebzig Schlagertitel in unermüdlicher Rotation rauf- und runterspielte. Nicht nur musikalisch schien im Laternchen die Zeit vor vielen Jahren stehengeblieben zu sein. (mehr …)
by LiSe | 29. Dez 2022 | Blog, Kurzgeschichte
Von Paul Holzreiter
San amoi drei Mannsbilder mit der Eisenbahn g’fahr’n. Und zwar sans mit der Eisenbahn nach Schottland auffeg’fahr’n. San drei g’standene Mannsbilder g’wen, die drei. San no nia droben in Schottland g’wen, die drei. Der Mo, der wo da so g’scheit daherreden tuat und all’s darzählen tuat, der Mo bin i – obwohl i gar net dabei g’wen bin, damals, wia die drei nach Schottland auffeg’fahr’n san. Mir ham sa’s nur darzölt, die drei, wia dass des damals g’wen is drob’n in Schottland. (mehr …)
by LiSe | 30. Nov 2022 | Blog, Kurzgeschichte
Von Monika Scheddin
März 2021 – ein Jahr Corona Pandemie, da sagt mir Pia: „Also ohne meine tägliche Meditation wäre ich nicht klargekommen“.
„Also ohne Yoga hätte ich das Ganze nicht überlebt“, sagt Karen. Sie zuckt nicht mit der Wimper, meint es also völlig ernst.
Hmmh, denke ich. Was hättest du denn gesagt? Vielleicht Kaffee, Kartoffeln und – SCHOKOLADE. (mehr …)
by LiSe | 30. Okt 2022 | Blog, Kurzgeschichte
Von Christoph von Nostitz
Neun Jahre bin ich jünger als sie. Das ist bis heute so. Bei unserer ersten Begegnung war sie dreißig, ich einundzwanzig. Damals hatte sie allerdings die These vertreten, ich sei vier Jahre älter als ich. Sie hatte erklärt, das Leben erst zu spüren, seit sie vor dreizehn Jahren der Enge des Alpentals, in dem sie aufgewachsen war, entkommen sei. Daher sei sie eben erst siebzehn, statt dreißig, und ich somit vier Jahre älter als sie. (mehr …)
by LiSe | 2. Okt 2022 | Blog, Kurzgeschichte
Von Walter Brusa
Mein Schlafzimmer ist klein und unveränderlich. Ein Bett, ein Bücherschrank, wahrscheinlich noch ein paar Kleinmöbel, ich weiß es nicht, denn morgens, wenn ich aufstehe, mich im Dunkel oder Halbdunkel mühsam aus dem Bett wälze, sehe ich nichts, nicht nur, weil die Nacht sowohl noch mich selbst als auch das Zimmer umfängt, sondern auch weil Augenlicht und Geist erst ungefähr eine Minute benötigen, um dem zu Unzeiten sich erhebenden Körper zu folgen und sich zu entfalten. Nachts, wenn ich mich zu Bett begebe, ist es dunkel und ich sehe nichts. Ich bewege mich mit der Sicherheit eines Blinden auf den zwei, drei Metern, die Augen haben sich noch nicht an das Dunkel gewöhnt. Ich möchte nichts darauf verwetten, dass nicht irgendjemand eines der Schränkchen entwendet und verkauft hat. Ich sage „irgendjemand“, denn ich wüsste nicht wer, lebe ich doch seit Jahr und Tag allein. So gehe ich denn davon aus, dass sich dieses Zimmer nicht verändert, so wie auch mein einziges Motiv, es aufzusuchen, sich nicht ändert. (mehr …)