[LiSe 06/23] „I want to share“

Die bildende Künstlerin Ella Ponizovsky Bergelson bringt Poesie auf die Wände des Pathos-Theaters

Von Katrin Diehl

ort: kreativquartier an der Dachauer Straße. Genauer: vorm Pathos. Es ist kalt, es ist nass, es ist Mitte April. Die bildende Künstlerin Ella Ponizovsky Bergelson mit schwarzer Wollmütze und schwerer Lederjacke ist dabei mit einer schmatzenden Farbrolle am ausgefahrenen Stiel, eine Außenwand des Pathos-Theaters Bahn für Bahn schwarz abzudecken, wodurch auch der „PATHOS“-Schriftzug – rauf, runter, rauf, runter – so allmählich verschwindet. Ein Auto nähert sich, hält an. Der Fahrer, junger Mann mit Baseball Cap, lässt die Scheibe runter und will es wissen: „Was passiert’n hier? Verschwindet das Pathos? Also. Nicht gut. Nicht gut. Ich will eigentlich, dass alles so bleibt wie es ist.“  Das Pathos wird bleiben, kann man ihm versichern. Die Wände werden halt neu gestaltet … „Hm, hm“, sagt der junge Mann so halb überzeugt und fährt weiter. Was war das denn jetzt? Jedenfalls ziemlich schräges Theater. Ella fährt mit der Rolle durch die flache Farbwanne, sagt, „let’s go on“ und „nichts bleibt, wie es ist“ und macht weiter. Dann lacht sie. „Vielleicht gefällt’s ja keinem, was ich hier mache, und morgen ist es wieder weg. I don’t know.“ Wandbilder und überhaupt Mauern seien etwas Temporäres, fügt sie hinzu, und dass das genau das wäre, was sie an ihnen möge, auch weil sie das von Monumenten unterscheide. (mehr …)

[LiSe 05/23] Bibliothek auf Rädern

Von Harry Potter bis zum Konsolenspiel: In München versorgen fünf Bücherbusse Tausende Schulkinder mit Medien

Von Ina Kuegler

Es ist 8.30 Uhr. 15 Mädchen und Buben drängeln sich vor der Eingangstür, der Busfahrer ruft: „So, dann kommt mal alle rein.“ Der Bücherbus ist wieder da, eine 12 Meter lange und zweieinhalb Meter breite Bibliothek auf Rädern. Die Kinder schieben sich in den Bus. Sie stöbern in den Regalen, geben Bücher zurück, leihen Medien aus oder verlängern die Leihfristen. Nach einer viertel Stunde folgt die nächste Gruppe. Es sind Kinder zwischen fünf und elf Jahren, vor allem aber Grundschüler, die den Bücherbus stürmen. Die Stadt München hat fünf davon – sie kommen alle 14 Tage und machen auf den Schulhöfen Halt. Tausende Bücher, DVDs, CDs, Zeitschriften oder Konsolenspiele fahren die mobilen Bibliotheken von Grundschule zu Grundschule – ein kindgerechter, niederschwelliger Zugang zu Wissen und Bildung. Abteilungsleiter Siegfried Kalus von der Münchner Stadtbibliothek beschreibt das so: „Die Fahrbibliotheken leisten einen wichtigen Beitrag zu Chancengleichheit und sozialer Integration“. (mehr …)

[LiSe 04/23] Ausstellung „Das politische Bilderbuch“ Wegschauen verboten!

Empfehlung für den Osterausflug: die Städtischen Galerie Rosenheim

Von Michael Berwanger

Auf nach Rosenheim! Zugegebenermaßen gibt es in Oberbayern romantischere Städte. Dabei war es einst ein blühendes Handelszentrum. Nicht der Zweite Weltkrieg sei schuld an der Verunstaltung des Ortes, sondern – so wird hinter vorgehaltener Hand kolportiert –Albert Steinbeißer, in den 70er Jahren Oberbürgermeister der Stadt, habe die alten Strukturen aus der Innenstadt entfernen lassen, um Platz zu schaffen für ein mondänes Rosenheim. (mehr …)

[LiSe 03/23] „… oder meinten den Regen, der fällt auf dunkles Erdreich im Frühjahr.“*

Zwiesprache mit Rilke und Präsentation des neuen „Der Ewige Brunnen“ im Lyrik Kabinett

Von Michael Berwanger

Was soll Lyrik heute noch, mag die eine oder der andere denken, jene versgewordene Sprachform, metrisch gebannt oder frei mäandernd mit Wortkaskaden, die bis zur Undurchdringlichkeit ihren Sinn so verbergen, dass ein Verständnis nur mit Hilfe von Sekundärliteratur möglich scheint. Sprache in komprimierter Steifheit, bei der viele Menschen an langweilige Teekränzchen aus dem Biedermeier denken. (mehr …)

[LiSe 02/23] „Frauen, Ihr verdankt ihr alles!“

„Simone de Beauvoir & Das andere Geschlecht“, eine Ausstellung im Literaturhaus München

Von Katrin Diehl

Was jedenfalls keine vergessen sollte, ist, noch einmal einen Blick zurückzutun. Wenn die Besucherin also den Raum in seiner gesamten Länge durchschritten hat, wenn sie dort vor der Wand mit der durch ein paar feine Längen- und Breitengrade angedeuteten Weltkarte steht, dann kann sie sich erst einmal ein bisschen wundern. Da sind ein paar Erstveröffentlichungen der Übersetzungen von Simone de Beauvoirs feministischem Meilensteinwerk „Le deuxième sexe“, das 1949 in Paris erschienen ist, angebracht. (mehr …)

[LiSe 01/23] Ich will so einen Schlüsselanhänger

Der bemerkenswert unabhängige wie prägende und originelle Blumenbar Verlag übergibt sein Archiv der Monacensia

Von Katrin Diehl

Wenn etwas im Archiv landet, hat es erst einmal die Sphäre der Gegenwart verlassen. Eine Sache, ein versachlichtes Leben gilt dann – Deckel zu – zumindest formal als abgeschlossen. Es steht zur Registrierung bereit, zur Erfassung, zur wissenschaftlichen Verwertung mit anschließendem Urteil. Für die, die das Material zum Ablegen geliefert haben, die also jetzt ein wenig erschrocken und plötzlich mit leeren Händen dastehen, hat dieser neue Zustand etwas Komisches. Eventuell schmerzt er auch ein bisschen. Wenn da nicht das rettende Feeling wäre, einstmals etwas bewirkt, vorangebracht, mitgemischt zu haben, ein Gefühl, das weder zu archivieren noch tot zu kriegen ist. Es lebe also der „Blumenbar Verlag“! (mehr …)