Das Wildschwein (sus scrofa) hat es nicht leicht bei uns in Bayern. Nein, die Rede ist nicht von Christian Stückl, der liebend gern am Münchner Volkstheatermal die Sau rauslässt – die Rede ist von den Schwarzkitteln, die wegender drohenden „Afrikanischen Schweinepest“ schon Anfang März in der Rekordzahl von ca 13.000 Sauen in der„laufenden“ Jagdsaison (erhöhte Prämien!) abgeschossen wurden. Damit ballern die Förster und ihre etwa 8000 sogenannten Jagdgäste – darunter auch so mancher Waffennarr – geradezu um die Wette und müssen aufpassen, dass es bei nächtlicher Treibjagd nicht zu Verwechslungen kommt.
Aber auch andere haben es schwer im bayerischen Heimat-Land, so etwa der Fuchs (Bandwurm!), der Luchs (Raubkatze!), der Wolf (unsere Geißlein !), ganz zu schweigen vom Bär, der uns freilich „weiträumig“ umläuft, wenner „sich auskennt“, wie es gern in den Staumeldungen für Autofahrer heißt. Schwer tut sich halt alles, was nicht in die DIN Normalbürger passt. So ist auch moderne Lyrik auf Hauswänden in Bayern kaum verbreitet oder geschätzt. Anders wäre das vielleicht dann, wenn der Text eines hier heimischen internationalen Altlyrikers von einer Berliner Hauswand verbannt würde: Ja, da würden wir doch glatt unsere Liebe zur modernen Hauswandlyrik entdecken und … Aber gemach: Die hochmotivierten Studenten einer Hochschule in Berlin und ihr Senat hatten das spanischsprachige Gedicht „Ciudad“ des hochgeschätzten Schweizer/Bolivianers Eugen Gomringer, 93, anno 2011 riesengroß an die Hauswand pinseln lassen, es aber vor kurzem für frauenfeindlich befunden und daher seine Übermalung beschlossen.
Das Poem spricht von „avenidas“, „flores“„mujeres“ und, ja doch, einem „admirador“, einem Betrachter oder Bewunderer also. Es gilt als Paradestück der nahezu vergessenen „Konkreten Poesie“ und stellt ohne jedes Verb oder Adjektiv einfache Nomen nebeneinander, um sie, ihre Anordnung und Binnenspannung auf den Leser wirken zu lassen. Nun mag jede Hochschule sich blamieren wie sie will. Wenn aber solch ein Paradestück, Avenidas, unseres verehrten Eugen, Mujeres, Gomringer, der immerhin seit Jahrzehnten, Admirador, in Rehau/Franken lebt, in Berlin zum Abschuss freigegeben wird, schlagen wir Bayern kollektiv, also in Gestalt der Stadtväter (oder korrekt: Stadteltern) von Gomringers Wohnort zurück: Rehau hat ohne Zögern beschlossen, dem Avenidas- Gedicht eine kommunale Hauswand zu Verfügung zu stellen! (Und damit die Spanisch – Sprachkursein der Volkshochschule und den Tourismusin Rehau sicher unerhört angekurbelt. Kollateralvorteil, win-win!)
Anmerkung: a. Horst- Heimat Seehofer ist endlich wieder in Berlin. b. Berlin ist mit seinen über 4 000 schwarzen Sauen unbestritten die deutsche Hauptstadt der Wildschweine.