Lilian Lokes zweiter Roman „Auster und Klinge“
Wolfram Hirche
Erst am zweiten Roman, so meinte der Kritik-Papst Marcel Reich-Ranicki, entscheidet sich, ob ein Autor zum Schriftsteller taugt oder nicht. Die Münchner Autorin und PR-Beraterin Lilian Loke hat vor drei Jahren für ihren Erstling „Gold in den Straßen“ reichlich Lorbeeren geerntet und den Münchner Tukanpreis errungen. Während sie damals fleißig im Milieu der Häuser-Makler recherchiert hatte und ökonomisch kundig deren Geschäftsmodell aufs Korn nahm, nimmt sich ihr neuer Roman das Künstler- und Ganoven-Milieu vor. Er versucht es jedenfalls.Ernste, tiefe Recherche ist da freilich schwierig, denn wer kennt schon einen erfahrenen Einbrecher, der auch so richtig „auspackt“?
Gutes Schreiben hängt aber wesentlich von intensiven Kenntnissen ab, vom Eintauchen ins Milieu. Die Techniken des „Ausbaldowerns“, des sekundenschnellen Türenöffnens, Gefahr-Witterns und spurlosen Abtauchens kann zwar jeder in den zahllosen Fernsehkrimis studieren, aber eben nur oberflächlich. Doch wie steht es um die wirklichen Ängste und vielleicht sogar Triumphe der „Unterwelt“? Lilian Lokes Text wirkt oft wie die Vorlage zu einem Film-Drehbuch. Dabei geht es ihr wohl eigentlich um Viktors und Georgs Innenleben – der eine ein Gangster mit Herz, der sich zur Ruhe setzen will und seine Familie liebt. Der andere, Georg, ein familienfremder Künstler, der als Millionenerbe einer Großschlachterei sein Glück in politisch aufrüttelnder Happening-Kunst sucht, das eine oder andere Auto oder Einfamilienhaus „knacken“ will und dazu Viktor als echten Gangster braucht. Die beiden werden Kumpels, aber es tut keinem gut. So kann Georg weder als echter Ganove noch als anerkannter Künstler Fuß fassen. Immerhin bleibt am Ende die Liebe- wenngleich sie sich zunächst mütterlich tarnt, „nun iss was“, sagt seine Geliebte – aber das kann ja noch werden!
Was auch für die Autorin gilt, denn sie muss sich mit ihren nüchternen Romanen aus der Männerwelt derzeit gegen ein wahres – hätte man früher gesagt – „Froileinwunder“ an jungen, locker schreibenden Autorinnen behaupten. Etwa gegen Ronja von Rönnes „Wir kommen“, wo es lustig plaudernd um eine Viereck-Liebe geht, oder Noemi Schneiders muntere Konfrontation mit der Generation der Mütter in „Das wissen wir schon“. Dieser zweite Loke-Roman wird es schwer haben.
Lilian Loke:
Auster und Klinge
Roman, 313 Seiten
C.H. Beck, München 2018
19,95 Euro