Therese Giehses Nachlass in der Monacensia erzählt von einem Leben, das sich vorwiegend auf der Bühne abspielte.

Von Katrina Behrend Lesch

In München in der Herzog-Rudolf-Straße 1898 geboren, in der Wurzerstraße 1975 gestorben, beides in unmittelbarer Nähe der Kammerspiele, ihrer künstlerischen Heimat, dazwischen an vielen Orten gewesen – Therese Giehse wäre imstande, ihr Leben auf diesen lapidaren Nenner zu bringen. „Ich hab nichts zum Sagen“, warf sie ihrer Biografin Monika Sperr bei ihrer ersten Begegnung entgegen. Sie war frei von Äußerlichkeiten, trat nicht geschminkt auf, aber mit ihr zu arbeiten war für jeden Regisseur eine Bereicherung. Brecht hielt sie für die größte Schauspielerin Europas, Peter Stein beschrieb ihre Fähigkeit, sich die Texte der Autoren ganz zu eigen zu machen und damit ihrem Spiel ein unglaubliches Relief zu verleihen, als etwas Einmaliges.

Als jüngstes Kind des jüdischen Kaufmannsehepaars Gertrude und Salomon Gift genoss Therese eine liberale Erziehung, doch dass sie Schauspielerin werden wollte, lehnte ihre Familie ab.„Du bist doch gar nicht schön.“ Nun, sie wollte nicht schön sein, sie wollte nur zum Theater. Mit ihrer Figur war sie auf alte Rollen festgelegt, ernste und komische, aber das focht sie nicht an. „Die Giehse“ – den Künstlernamen hatte sie von ihrer Lieblingsschwester Irma bekommen – spielte sie mit Bravour, und so avancierte sie an den Münchner Kammerspielen, wo sie ab 1925 engagiert war, in kürzester Zeit zum Publikumsliebling. Mit der Darstellung der Celia Peachum in der „Dreigroschenoper“ 1929 unter der Regie von Hans Schweikart begann Therese Giehses Karriere zu einer der bedeutendsten Brecht-Interpretinnen vor und nach dem Krieg.

Befreundet war sie auch mit Erika und Klaus Mann und trat in deren Anfang 1933 gegründeten politischen Kabarett „Die Pfeffermühle“ als Star auf. Sie positionierte sich gegen den Aufstieg der Nationalsozialisten, auf den wenigen erhaltenen Tonaufnahmen lässt sich nachhören, wie unvergleichlich sie die allesamt von Erika verfassten Chansons und Sketche zwischen Grauen und Komik zu interpretieren verstand. Nach Hitlers Machtergreifung fand das Ensemble in der Schweiz Zuflucht, die Emigration mit Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft und vielen weiteren Bedrohungen nahm ihren Lauf. Durch die Heirat mit einem Engländer gelangte die Giehse in den Besitz eines englischen Passes und erhielt 1937 im Züricher Schauspielhaus ein festes Engagement. Hier war sie 1941 die Mutter Courage der Uraufführung, eine Rolle, die sie immer wieder darstellte, Mit Brecht verband sie eine lebenslange Freundschaft, in seinem Berliner Ensemble konnte sie auftreten, wann sie wollte.

Therese Giehses Leben spielte sich auf der Bühne ab, das lässt sich aus ihrem Nachlass ablesen, der im Literaturarchiv der Monacensia aufbewahrt ist, Briefe, Pressestimmen, Fotos, biografische Dokumente, Tonaufnahmen, Programme, Preise und Ehrungen sowie Manuskripte anderer. Von ihr geschriebene Briefe haben sich nur eine Handvoll erhalten, ein Kondolenzbrief vom August 1945 aus Zürich, da dachte sie noch nicht an eine Rückkehr nach Deutschland. Auch Briefe an sich hat sie nur ein paar aufgehoben, etwa den von einem unbekannten Verehrer, der ihr Geld zukommen lässt. Aus einer Notiz erfährt man, dass Erika Mann ihn unter fingiertem Namen und Adresse an Therese Giehse geschickt hat, da diese während einer Aufführung zusammengebrochen war und längere Zeit nicht spielen konnte. Ob sie die Sache durchschaute weiß man nicht.

Die Kritiken, die über sie doch so zahlreich geschrieben wurden, hat sie ebenfalls nicht gesammelt. Glücklicherweise haben andere das getan, und so sind viele Besprechungen erhalten, zum Beispiel über ihre berühmten Brecht-Abende oder ihre Regiearbeit für Kleists „Der zerbrochene Krug“, übrigens nicht die einzige. Sie sei von solchen Dingen immer sehr unberührt gewesen, steht in Monika Sperrs Ansprache zur Buchpremiere „Therese Giehse: Ich hab nichts zum Sagen“. Diese und weitere Reden und Aufzeichnungen über sie sowie eine Reihe von Theaterstücken von Albee bis Wedekind, was im Nachlass einer Schauspielerin nicht weiter verwundert, finden sich im Konvolut Manuskripte anderer. An Privatem hinterließ sie ihre Kalender mit handschriftlichen Eintragungen von Proben- und Aufführungsterminen, ihre Brille, eine Toilettentasche. Über sich zu schreiben hätte die Giehse nicht für nützlich gehalten.