Von Marie Türcke

Eduard Heinrich Nikolaus Graf von Keyserling wurde am 15. Mai 1855 auf dem Familiengut Paddern bei Hasenpoth in Kurland (heute Lettland) als zehntes von zwölf Kindern geboren. Seine adelige Herkunft prägte ihn lebenslang – gesellschaftlich wie literarisch.

Seine Jahre als junger Mann verbrachte er auf den Gütern seiner Familie, isoliert, nur mit Familie und Angestellten im Kontakt. Gegen Ende der 1880er-Jahre veröffentlichte er seine ersten Romane. Bereits hier im Fokus, was auch in seinem späteren Werk zentral bleibt: der Mensch, seine Emotionen, die durchaus widersprüchlich sein können, und das Miteinandersein und Miteinanderauskommen (oder eben auch nicht).

1895 zog Keyserling nach München. Hier in Schwabing fand er das geistige Zentrum für sein Spätwerk. In Folge einer Syphiliserkrankung erblindete von Keyserling früh, blieb aber literarisch hochproduktiv. Hier entstanden seine bedeutendsten Werke, darunter „Beate und Mareile“ (1903), „Schwüle Tage“ (1904), „Wellen“ (1911) und „Am Südhang“ (1916). Mit subtiler Ironie, tiefem Mitgefühl und stilistischer Eleganz schilderte er das leise Verlöschen des Adels, ohne Gesellschaftskritik im engeren Sinne, vielmehr mit psychologischer Tiefe und aristokratischer Melancholie. Und immer wieder finden sich in seinem Werk ganz unaufdringlich menschliche Weisheiten und pointierte soziale Beobachtungen. Dies scheint besonders beeindruckend, wenn man bedenkt, wie lange er isoliert von anderen auf den Familiengütern verweilte. Seine Literatur kreist nicht um Handlung, sondern um Atmosphäre, Haltung und das leise Scheitern.

Von Keyserlings Leben ist vor allem durch Erzählungen von Freunden und Bekannten dokumentiert. Auch nach seinem Tod wurde er nicht die Berühmtheit, die seinem Werk angemessen wäre. Obwohl das Hauptwerk dieses großartigen Autors in München entstand, hing lange keine Gedenktafel an seinem Wohnhaus in Schwabing. Dies änderte sich, als sich der (ebenfalls) deutsch-baltische Baron Peter von Korff vor gar nicht so langer Zeit mit Prof. Jens Malte Fischer von der LMU zusammentat und die Gedenktafel für Keyserling in der Ainmillerstraße realisierte. Nicht unweit in der Buchhandlung „buch&töne“ in der Amalienstraße kann man bei Jens Raderschall, Korffs Schwiegersohn – selbst ein Keyserling-Fan –, ein paar seiner Bücher erwerben.

Am 28. September 1918 starb Eduard von Keyserling in München. Thomas Mann schrieb in seinem Nachruf auf Keyserling (1918) über ihn und dessen Nähe zum dänischen Autor Herman Bang:

„Was sie zu Brüdern macht, ist die tiefe Sympathie mit dem Leide, mit dem, was hoffnungslos vornehm, dem Glücke fremd, dem Tode verpflichtet ist. […] Niemals die Farbe des Lebens auf ihre Wangen geschminkt – so war es anständig.“

Bisher in der Reihe erschienen: Gedenktafel für Franziska zu Reventlow an der Leopoldstraße 41, für B. Traven an der Clemensstraße 84, für Gottfried Keller an
der Neuhauser Straße 35, für Annette Kolb in der Händelstraße 1, für Schalom Ben-Chorin an der Zweibrückenstraße 8, für Carla-Maria Heim am Johannisplatz 10, für Heinrich Heine in der Hackenstraße 7, für Jella Lepmann am Eingang zum Schloss Blutenburg und für Ruth Schaumann in der Kaulbachstraße 62a

Mehr über Gedenktafeln finden Sie hier:

Andrea Kästle: München leuchtete nicht für jeden – Was Gedenktafeln der Stadt verschweigen Paperback. 232 Seiten, Allitera Verlag, München 2024
19,90 Euro