[LiSe 12/14] Literarisches Schreiben

Die Münchner Volkshochschule bietet im Jahreslehrgang Literarisches Schreiben die Möglichkeit, sich in Seminaren und Tutorien intensiv mit dem literarischen Schreiben zu beschäftigen. Professionelle Autoren und Lektoren begleiten diesen Prozess und fördern individuelle Potenziale. In Theorie und Praxis werden solide handwerkliche Grundfertigkeiten vermittelt und Inhalte erarbeitet. Bereits vorhandene literarische Konzepte können hier gezielt weiterentwickelt werden. Bewerbungsende 15.12.2014.

Nähere Angaben: www.mvhs.de/jahreslehrgang

[LiSe 12/14] Literarische ÜbersetzerInnen (Folge 6)

Die Verlässlichkeit der Übersetzerin Elisabeth Edl

Die Münchnerin überträgt den Nobelpreisträger Modiano ins Deutsche

Die erste Wohltat, die diese Übersetzung von Stendhals Rot und Schwarz ihren Lesern erweise, sei ihre schlichte Verlässlichkeit, heißt es in Andreas Isenschmids Laudatio auf Elisabeth Edl zur Verleihung des Johann-Heinrich-Voß-Preises 2005. Doch das Eigentliche kommt für ihn erst danach: mit der Berücksichtigung aller sprachlichen Eigenheiten, einer findigen Hellhörigkeit für den Rhythmus, also einem außerordentlichen Gespür für Stendhals Stil und seine Wiedergabe im Deutschen. Alles Selbstverständlichkeiten einer Übersetzung, möchte man meinen. Dass dem nicht immer so ist, damit hält Elisabeth Edl nicht hinter dem Berg. Jüngst ist sie wieder in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt durch den Nobelpreis für Patrick Modiano, dessen Werk sie seit bald 20 Jahren übersetzt.

Angefangen hat Edl mit Simone Weil. Da hatte die gebürtige Österreicherin ein Germanistik- und Romanistikstudium hinter sich sowie sechs Jahre deutsche Sprache und Literatur an der Universität in Poitiers gelehrt. Während sie danach Wirtschaftsdeutsch an der École Supérieure de Commerce unterrichtete, begann sie zusammen mit Wolfgang Matz bei Hanser die Herausgabe und Übersetzung der Cahiers von Simone Weil: „Keine leichte Aufgabe, aber wir saßen nebeneinander am Schreibtisch, und jeder konnte Einspruch erheben gegen Vorschläge des anderen, und so haben wir das Übersetzen gemeinsam erlernt.“ Für den ersten Band – es sind im Ganzen vier – erhielten die beiden absoluten Neulinge 1992 den Paul-Celan-Preis.

Das war die erste einer beachtlichen Reihe von Auszeichnungen, darunter die Ernennung zum Chevalier de l’Ordre des Arts et des Lettres in Frankreich und zum Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Edls Umgang mit all diesen Ehrungen klingt pragmatisch. „Preise sind immer sehr gut, denn sie sind Anerkennung und Teil der Kalkulation. Ein schwieriges Buch, das lange dauert, finanziert sich dadurch leichter. Vor allem aber erlaubt mir diese Anerkennung, nur die Bücher und Autoren zu machen, an denen mir wirklich etwas liegt.“ Und besonders wichtig: „Ich empfehle Übersetzern, die erst am Anfang stehen, auf einen Brotberuf nicht zu verzichten. So wie ich das lange Zeit mit meinem Lehrberuf auch gemacht habe. Das war anstrengend, aber es hat mir die Unabhängigkeit verschafft, nicht jedes Buch annehmen zu müssen. So konnte ich mich auf die wirklich guten konzentrieren.“

Edl liebt ihre Arbeit, den Umgang mit Sprache, die Begegnung mit Autoren. Sie geht auf die Suche nach Büchern, macht den Verlagen Vorschläge. Früher habe sie auch mehr Gutachten geschrieben und sei auf diese Weise zu ihrer ersten Modiano-Übersetzung gekommen. (Der letzte Roman Gräser der Nacht ist gerade bei Hanser erschienen.) Seine Bücher, sagt sie, haben immer etwas von gesprochener Sprache, seien zugleich aber sehr poetisch. Und nennt als Schwierigkeit, dass man in der deutschen Sprache „allzu leicht in einen gehobenen Ton verfällt, der Modiano nicht entspricht“. Mit den Autoren zu sprechen, ist für sie ein ganz besonderes Vergnügen: „Philippe Jaccottet ist selber ein hervorragender Übersetzer, und bei seinen Gedichten können wir lange über ein Adjektiv diskutieren, für das in der Übertragung vier verschiedene Synonyme zur Verfügung stehen.“

Den großen Wurf landete Elisabeth Edl mit den beiden Klassikern Stendhal und Flaubert. Hatte sie das Gefühl, dass es noch besser gehen müsse als in allen bereits vorliegenden Übersetzungen? Bei Flauberts Madame Bovary sind es an die dreißig. „Ja – klipp und klar. Sie mir erneut vorzunehmen lag an meiner Entscheidung für meine Lieblingsbücher und der Vorstellung, wie sie auf Deutsch klingen müssten. Und keine der bisherigen Übersetzungen entsprach dieser Vorstellung. Stendhal erzählt episch, aber sein Stil ist kurz, knapp, klar, manchmal schroff, immer präzise. Es heißt, er habe jeden Tag, bevor er sich ans Schreiben machte, im Code Civil, dem Bürgerlichen Gesetzbuch, gelesen, um sich auf diesen Stil einzustimmen. Und genau das wollte ich ins Deutsche hin-überbringen, ebenso wie Flauberts Anspruch, jeden Satz so zu komponieren wie den Vers in einem Gedicht. Flaubert ist es gelungen, aus dem Roman ein hohes Genre zu machen, so wie es bis dahin nur Gedicht und Drama waren. Das lassen die früheren Übersetzungen nicht erkennen.“ Weitere Klassiker kommen für sie vorläufig nicht in Betracht. Balzac sei vom Stil her nicht so verlockend wie Flaubert und für Proust sehe sie gerade keine Notwendigkeit, da ja eine großartige Übertragung vorliege. Als nächstes hat sie sich L’Éducation Sentimentale, Flauberts zweiten großen Roman, vorgenommen. Man darf gespannt sein, welche Wohltat Elisabeth Edl den Lesern diesmal mit ihrer „Verlässlichkeit“ erweist.
Katrina Behrend Lesch

Elisabeth Edl spricht am 16. Dezember um 20 Uhr im Literaturhaus über Modiano.

[LiSe 11/14] Ausstellung „Erfolg“ im Literaturhaus

Er liebe sie und er hasste sie – seine bayerische Heimat. 1925 hat er sie endgültig verlassen und ist auch nie mehr zurückgekehrt. Lion Feuchtwanger schreib dennoch den großen Bayern-Roman: „Erfolg. Drei Jahre Geschichte einer Provinz“. Diese drei Jahre umfassen 1921 bis 1924. Feuchtwanger, 1884 in München geboren, entwirft darin ein Bild des Landes mit seiner Hauptstadt, das sich aus realen und erfundenen Orten, aus realen Personen und erfundenen zusammensetzt. Feuchtwanger entwickelt eine Typologie der Einwohner, von den „Großkopfigen“ bis hin zu Königstreuen und Bauernführern, Künstlern und Fabrikanten – Gruppierungen, von denen einige in einer Partei aufgehen, die immer stärker wird und in dem Putschversuch der Nazis am 8/9. November 1923 ihren Höhepunkt erreicht.

Noch bis zum 15. Februar 2015 zeigt das Literaturhaus München in einer Ausstellung die Personen, Orte, Motive und Kernthemen des Romans „Erfolg“ und macht deutlich, welche Geschichten von Feuchtwanger erfunden wurden und welche Geschichte real war. Kuratoren der Ausstellung sind Reinhard G. Widmann und Vera Bachmann.

Die Ausstellung ist Montag mit Freitag von 11 bis 19 Uhr, an Samstagen/Sonn- und Feiertagen von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Eintritt: 5/3 Ä (incl. Audioguide). Der Katalog zur Ausstellung kostet 6 €.
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[LiSe 11/14] Puchners Universum

Vogelprinzessinnen und Froschprinzen entführen in eine Welt der Phantasie und der Träume – verspielt, farbenfroh und märchenhaft. Die Internationale Jugendbibliothek lädt ein zur Ausstellung „Willy Puchners Universum. Bilder – Grafiken – Texte“. Der Wiener Künstler hat von seinen vielen Reisen allerlei Eindrücke und Erinnerungen mitgebracht, die er in Collagen aus Zeichnungen, Drucken, Bildern, Fotografien und Texten umwandelte. Seine Bilderbücher können wie verspielte, farbenfrohe Weltatlanten gelesen werden. Die Ausstellung in der Wehrgang-Galerie der Internationalen Jugendbibliothek in Schloss Blutenburg läuft noch bis zum 29. Januar 2015. Sie ist Montag bis Freitag von 10 bis 16 Uhr, Samstag und Sonntag von 14 bis 17 Uhr geöffnet.              us

[LiSe 11/14] Lyrische Kostprobe: Fouesnant

Im Wald gefällt mir dein Kleid besonders
aber ich sage nichts aus Takt und Gefühl
sondern streiche nur Crème vorsicht- & flüchtig
auf deine Schultern die samtige Haut
blicke verstohlen zur Bucht und wünsche
alle Schiffe hier sollen ruhig havarieren
dann zählte ich die Wracks bis du ja sagst

Adrian Kasnitz

[LiSe 11/14] Literarische ÜbersetzerInnen (Folge 5)

Die Mathematik in der Semitistik erkennen

In der Schule mochte Barbara Linner die Mathematik nicht besonders. Dann aber entdeckte sie, dass die semitischen Sprachen  eine Menge mit Mathematik, aber auch mit Musik und Malerei zu tun haben.

Semitistik, das ist auch Orientalistik, Arabistik, Judaistik und Aramaistik. Zu den semitischen Sprachen gehören Hebräisch, Arabisch und Aramäisch, sie werden in Nordafrika, im Nahen Osten, am Horn von Afrika und in Malta von etwa 400 Millionen Menschen als Mutter- oder Zweitsprache gesprochen. Die Dialekte sind zahlreich, Gaumen- und Kehllaute, Kehlkopfpress- und Knacklaute verwandeln die gesprochene Sprache in Musik, das Schriftbild mit seinen Bögen und Kreisen gemahnt an ein Kunstwerk. Die Kulturen, die sich auf der Basis der semitischen Sprachen entwickelt haben, sind alt und fremd. Wer sich mit Semitistik beschäftigt, sucht das Besondere. Und er muss bereit sein, eine Menge Neues zu lernen.

Beides trifft auf Barbara Linner zu. Bereits in ihrer Schulzeit bereiste sie mit ihrem Vater die Länder, die mit ihren Landschaften, ihren Gerüchen und Lebensweisen so ganz anders waren. Als sie das Abitur in der Tasche hatte, war ihr klar: Ich habe nun die Wahl, ich kann machen, was ich will, es darf nicht langweilig sein. Weil sie gern malte, schrieb sie sich zunächst in der Kunstakademie ein. Aber sie wollte nur Schwarz-Weiß malen, und außerdem war da noch das Interesse an der Musik und an der Mathematik (abseits der Schulmathematik) im Hintergrund. Sie schrieb sich an der LMU ein in Judaistik, Semitistik, Orientalistik und Südosteuropäische Geschichte. Es war, wie sie erzählt, „eine Latte von Zufällen und Neigungen“, die sie zu diesen Fächern brachte. Und sie wollte sie „so gründlich und so lange es geht studieren“.

Doch irgendwann war auch das Studium Geschichte. Nach zwei Jahren an der Universität Jerusalem schloss die Münchnerin es 1984 ab mit der Promotion über das Thema „Die Entwicklung der frühen nationalen Theorien im osteuropäischen Judentum des 19. Jahrhunderts“. Die Dissertation mag als greifbarer Beleg gelten: Geschichte, Kultur, Religion, das sind für sie Bereiche, die zum Studium einer Sprache dazu gehören, wenn man verstehen will.

Bereits ein Jahr später begann die Philologin mit dem Übersetzen, zunächst nebenberuflich. Ihren Lebensunterhalt verdiente sie in der Gastronomie, in einem Musikverlag, und als Pressesprecherin in der Münchner Stadtverwaltung. Seit 1998 ist sie als haupt- und freiberufliche Übersetzerin tätig, sie arbeitet für den Hanser Verlag, für Luchterhand und Fischer, für Goldmann, Rowohlt und Bertelsmann. Sie hat u.a. die Autor(inn)en Israel Eliraz, Assaf Gavron, David Grossman, Batya Gur, Judith Katzir, Etgar Keret, Jehoschua Kenaz, Aharon Megged und Irvin Yalom übersetzt. In Arbeit sind eine Biografie über „Joske Ereli, Eine Lebensgeschichte“ (Hrsg. Jürgen Beck) und eine Anthologie mit dem Titel „Wir vergessen nicht, wir gehen tanzen“ mit Werken von jeweils zehn israelischen und deutschen Autoren.

Barbara Linner übersetzt gern, sie frischt ihre Arabisch-Kenntnisse regelmäßig auf, sie bringt ihre Liebe zum bayerischen Dialekt aus Überzeugung ein, sie pflegt Freundschaften mit den Autoren, die sie übersetzt, und sie kann sich begeistert in Sprach-Witz, -Puzzeln und –Rätseln vertiefen – aber langsam und Schritt für Schritt gewinnt sie auch eine kritische Distanz zu ihrem Beruf. Denn das Übersetzen wird „immer unlustiger“, wie sie sagt. In den Verlagen herrsche Chaos, das Personal wechsele, Entscheidungen würden hinausgezögert und dann „mit einer 5-Minuten-Gewinnorientiertheit im Kopf“ gefällt, die Verwaltungsarbeit nehme zu, und die Bezahlung sei mehr als unzureichend. Kaum vorhanden sei auch die so nötige Solidarität der Übersetzer-Kollegen untereinander, zum eigenen Nachteil. Die Frustration über die Arbeitsbedingungen ist unüberhörbar. Die Münchner Übersetzerin lässt offen, was die Konsequenzen sind.
Ursula Sautmann