Der bemerkenswert unabhängige wie prägende und originelle Blumenbar Verlag übergibt sein Archiv der Monacensia

Von Katrin Diehl

Wenn etwas im Archiv landet, hat es erst einmal die Sphäre der Gegenwart verlassen. Eine Sache, ein versachlichtes Leben gilt dann – Deckel zu – zumindest formal als abgeschlossen. Es steht zur Registrierung bereit, zur Erfassung, zur wissenschaftlichen Verwertung mit anschließendem Urteil. Für die, die das Material zum Ablegen geliefert haben, die also jetzt ein wenig erschrocken und plötzlich mit leeren Händen dastehen, hat dieser neue Zustand etwas Komisches. Eventuell schmerzt er auch ein bisschen. Wenn da nicht das rettende Feeling wäre, einstmals etwas bewirkt, vorangebracht, mitgemischt zu haben, ein Gefühl, das weder zu archivieren noch tot zu kriegen ist. Es lebe also der „Blumenbar Verlag“!

Alles, was sich seit seiner Münchner Gründung im Jahr 2002 bis zu seinem Berliner Ende im Jahr 2012 (Verkauf der Marke Blumenbar an die Aufbau Verlagsgruppe) angesammelt hat, haben seine beiden Initiatoren Wolfgang Farkas und Lars Birken-Bertsch an das Archiv der Monacensia übergeben bzw. verkauft, ein wunderbares Sammelsurium, zu dem zum Beispiel auch Wolf Wondratscheks Krawatte gehört, die hoffentlich irgendwann ihre Geschichte preisgeben wird.

Der Name „Blumenbar“ ist so originell wie naheliegend. Von 1997 an trafen sich Literaturaffine in der Wohnung von „Wolf und Lars“, gelegen im ersten Stock eines Altbaus in der Blumenstraße 3 (gleich hinterm Viktualienmarkt), trafen sich, um Texte zu lesen wie zu diskutieren. Daraus wurde eine gute Gewohnheit und damit ein literarischer Salon, in dem es offensichtlich nicht nur Erhabenes zu hören, sondern auch zu trinken gab. Man formierte sich mit seiner Leidenschaft für originell gesetzte Worte zu einem Blumenbar Club, dessen Mitglieder gegen Zahlung von mindestens 50 Euro einen fancy Schlüsselanhänger bekamen mit dem Verlagsnamen darauf, geschrieben in roter Grundschüler*innen-Schreibschrift. Wer den Anhänger vorlegen konnte, durfte verbilligt zu Blumenbar-Lesungen und hatte zudem durch seinen Kauf den finanziellen Grundstein für den bemerkenswerten, umwerfend unabhängigen Blumenbar Verlag gelegt.

So ein Schlüsselanhänger befindet sich natürlich ebenfalls im Nachlass des Verlags, zu dem auch 72 Aktenordner gehören, in denen die geschäftlichen Prozesse abgeheftet worden sind. 25 Kartons beinhalten Manuskripte, Korrespondenzen, Buchcover, Flyer, Plakate, hunderte von Fotos, Kassetten, Schallplatten, seltsame Dinge …, Zeugnisse einer aufregenden Zeit eben, in der einmal mehr Verlagskonventionen aufgebrochen worden sind. Sehr nüchtern wirkt da neben der bunten Sammlung ein USB-Stick, den Wolfgang Farkas persönlich ans Archiv übergab, und der es natürlich in sich hat.

Der Independent-Verlag Blumenbar stand für schrille wie genreübergreifende Gegenwartsliteratur, die sich nicht trennen ließ von der sie umgebenden Pop- wie Clubkultur. Autor*innen waren u. a. Matthias Hirth, Peter Licht, Jasmin Ramadan, Leonard Cohen, Hunter S. Thompson, Raul Zelik …

Angefangen hatte es aber mit FX Karl, der in der Nachbarschaft wohnte und der ein Manuskript mit in die „Blumenbar“ gebracht hatte, das nach Veröffentlichung schrie. So wurde „Memomat“ zum ersten Buch des Verlages, eine nicht so leicht fassbare Story mit viel 80er-, 90er-Jahre-Flair und an allem sehr nah dran, herausgekommen nach einer langen Verlagsgründungsnacht in der Alten Kongresshalle im Jahr 2002. Die Feuilletons nehmen das wahr, die nice-e Waschmaschine auf dem Cover tut’s allen an und wird auch zum auffallenden Accessoire beim ersten Frankfurter-Buchmessen-Auftritt von „Blumenbar“. Wer wollte, konnte dort am Stand seine Bücher „weichwaschen lassen“ und dann sehen, was passieren würde (und auch für diesen Auftritt gab es einen Preis). Der Blumenbar Verlag hatte schrägen Stil und gab der deutschen Verlagslandschaft einen Schubs in Richtung „traut euch, Leute, und bietet den Großen Paroli“. Über die Jahre brachte Blumenbar immer mehr Bücher heraus. Am Ende waren es 65. Die Erstausgaben besitzt die Monacensia nun lückenlos.

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