Mein Mobiltelefon während wir zur Konferenz unterwegs sind im selbst fahrenden Dienstwagen mit Roboter Robbie sagt plötzlich in die Stille hinein „Anruf von Teresa“.

Ich sage: „Konferenzvorbereitung läuft. Rückruf in drei Stunden.“

Robbie wiederholt: „O.k., Rückruf in drei Stunden.“ Wir stecken im Altstadtring fest, das wird sehr knapp.

„Solln wir lieber drehen, Rob?“

Er sollte sämtliche Stauinfos eigentlich zusammenführen, speichern, berechnen und an mich herausgeben. Integriertes Navigator-Diktier-Radiosystem, dritte Generation. Er gibt tonlos zurück „Noch zehn Minuten, Roy.“ Roy war mein Vorgänger, ist jetzt draußen, Alkoholiker, der arme Kerl.

„Wieso Roy, ich bin nicht Roy, du Idiot, ich bin Frank, Frank, hörst du ein für allemal, Robbie!“

Die Spracherkennung verfeinern, ich muss mit der Technik unbedingt den Modulationssensor abklären, diese Versager. Die Technik sitzt auf hohem Ross und nimmt nur sehr gnädig Wünsche entgegen und verwirft Anregungen grundsätzlich als dilettantisch.

Ich sage: „Robbie, wenn das nicht bald klappt, bist du ne Retoure.“

„Robbie, Retoure, verstanden. Noch acht Minuten.“ Er krächzt aus dem Bord-Lautsprecher.

„Bitte die Gliederung meiner Rede.“

„Verstanden, Gliederung.“

„Robbie, ich muss in zehn Minuten diese Rede halten. Thema ‚Betriebliche Entscheidungsfindung im Rahmen aktueller Konjunkturwellen’. Los, die Gliederung jetzt, denke ich, während wir unterm Palais durchgleiten, Spurwechsel links rüber, das schafft er wenigstens, jetzt könnte Robbie bequem Hotel Kaiserhof, bitte melden. Wiedergabeknopf, ready. – Überlastungsanzeige! Mensch Robb!

Na schön, dann wiederhole ich’s eben für mich selbst: Die Kollegen müssen jetzt in diesem historischen Augenblick begreifen, dass der Schwerpunkt – Betriebsrat immer vorher einbinden! – und zwar nicht nur bei uns, sondern auch gesellschaftlich, momentan einfach auf der Betriebswirtschaft liegt. Der neue Ansatz muss systematisch in die Wellentheorie eingebettet werden, soweit sind wir noch nicht, dass wir alle Parameter genau kennen, ab wann umzuschalten ist. Also Zeitfaktor betonen, die meiste Unruhe entsteht, weil die Kollegen immer gleich denken, das neue Modell gilt jetzt für immer und ewig – tut es aber nicht! Wir nehmen ihnen die Angst!! Es gibt keinerlei Bedrohung, au contraire. Die Verlängerung der Arbeitszeit – für ein paar Jährchen, liebe Kollegen, da hat eben im Moment das kurzfristige Betriebsdenken Vorrang! Es ist nicht für immer! Durch gezielten und lockeren Sprach- und Kleidungsgebrauch, mehrere Fremdsprachen benützen, das Passagere der gesamten Position unterstützen, ich bin einer von euch: Breite Zustimmung fördern, aber 750 Kollegen werden wir, müssen wir leider.

„Wir müssen den Stau umfahren – Robbie, das solltest du eigentlich jetzt bringen.“

„Verstanden, Stau bringen.“

Hotel Kaiserhof, bitte kommen. Müssen doch kurzfristig das explacement (wir sprechen das französisch aus, nicht wahr) von etwa 750 Kollegen ins Auge fassen, die Kernkompetenzen im Inland restrukturieren, keine Alternative, sozialverträglich usw. – das weiß ich alles, kann es mit Zahlen belegen! Für wie lange, das wissen wir allerdings nicht, wir erkennen an der Konjunkturentwicklung nicht, ob es eine lange oder kurze Welle sein wird. Und dann immer: Shareholder-Value! Wir wissen, dass das Angebot an elektronischer Hardware im Moment gerade ganz geringen Grenznutzen bringt – Die Nachfrage in den Tigerstaaten stagniert. China bricht total ein! Robbie krächzt jetzt.

„Robbie“, sage ich, „was ist los, wann sind wir im Königshof.“

„Kaiserhof, Bob“, wir stehen schon wieder. „Ich heiße auch nicht Bob!“

„Wir stehen, verstehe.“

„Robbie, ich muss zu dieser verdammten Konferenz, bitte fahr jetzt über das Trottoir, wir sind ein Notfall: Da vorn kannst du den Grünstreifen kreuzen.“

Robbie krächzt: „Notfall, Trottoir, Grünstreifen, verstehe.“ Der Dienstwagen lenkt auf das Trottoir.

Robbie stoppt den Wagen. Plötzlich erstaunlich klar: „Es gibt keine Konferenz mehr, Roy. Vergiss es, Roy.“

„Frank, bitte, mein Lieber, Frank, nicht Roy, dieser alberne Name. – Schau, wir fahren im Kreis diesen Altstadtring entlang, wann sind wir im Hotel, Robbie??“

Es spotzt schon wieder aus dem Lautsprecher.

„Kein Hotel mehr, Frank.“ Na endlich, er hat meinen Namen geschluckt.

„Der Zeitplan, Robbie, stell mich zum Chef durch, der Zeitplan! Wir sind schon drüber, Robbie!“

„Neue Message, Chef an Frank: Referent Frank gestorben. Referent Frank abgelöst. Kurzfristiger Dispo-Change von Zentrale an Frankie: Referent Frank melden, Lage kritisch, Frank morgen dringend zum Personalbüro.“

Wolf Amberg