Zum neuen Roman von Hans Pleschinski

Von Stefanie Bürgers

Paul Heyse (1830 – 1914), dem ersten deutschen Literaturnobelpreisträger, hat München nur eine düstere, mittlerweile renovierungsbedürftige Unterführung gewidmet. Wie passend also, dass Paul Heyse in jungen Jahren zu seiner Berliner Zeit dem Poetenverein „Tunnel über der Spree“ angehörte. Dabei gäbe es in München durchaus eine Alternative für ein angemessenes Gedenken, denn Heyses ehemalige Münchner Villa, die ja noch existiert, steht nahe dem Lenbachhaus in der Luisenstraße. Im Garten dort, ein Götterbaum. Die Villa ist nach langem Rechtsstreit endgültig vor dem Abriss bewahrt. Endlich könnte eine Begegnungsstätte für kulturell interessierte Menschen zur Erinnerung an Paul Heyse entstehen, der den größten Teil seines Lebens in München verbracht hat.

Also machen sich – im neuen Roman „Am Götterbaum“ von Hans Pleschinski – an einem Abend im April 2019 eine Stadtbaurätin, eine Literaturarchivarin und eine Schriftstellerin zu Fuß auf den Weg durch die Münchner Innenstadt, um den genius loci von Heyses Villa in Augenschein zu nehmen.

Doch das Heyse-Trio ist sich uneins. Der humorvolle aber scharfzüngige Streit über den Sinn des Projektes und die Bedeutung von Heyse wird elegant konterkariert mit Auszügen aus Heyses Werk und der Enthüllung interessanter Verbindungen von Literatur und Geschichte. Immer wieder reklamiert die Archivarin die Universalität, den Charme und die Ausstrahlung von Heyse: Dieser habe die Welt in seiner Villa zusammengeführt, er sei nicht nur Poet sondern auch Übersetzer aus dem Italienischen und Rezensent russischer Literatur gewesen und Brahms habe Heyses Lyrik vertont. Die Schriftstellerin hingegen ist weniger davon überzeugt, einem „vergessenen Literaten” eine kulturelle Institution zu widmen.

Auf der Wanderschaft zur Heyse-Villa verliert sich die Diskussion über den Kulturauftrag immer wieder in einer ausführlichen – zuweilen grantigen – immer aber scharfsinnigen Betrachtung vom Leben und Treiben der Münchner. Der mäandernde Erzählfluss ist Prinzip. „Alles kommt vor, alles wird beschrieben. Nichts wird ausgelassen”, ein Anspruch, den der Autor von „Am Götterbaum” der Schriftstellerin Vandervelt zuschreibt. Diese, so erzählt der Roman, habe 2014 den Literaturpreis der Stadt München erhalten. Danach könnte die Vorlage für die Figur der Vandervelt Pleschinski selbst gewesen sein.

Ein sehr unterhaltsames und lehrreiches Buch voller hintergründigem Witz.

Hans Pleschinski:
Am Götterbaum
Roman, 280 S.
C.H. Beck Verlag
München 2021
23 Euro

Buchvorstellung am 20. April 2021 in der Monacensia