Die Jahre des Petrarca-Preises

Von Katrin Diehl

Natürlich hat dieser Band etwas Wehmütiges. Vielleicht hatte man sich ja mal wieder getroffen, hat einmal tief durchgeatmet und gesagt, „da sollte ja eigentlich schon was bleiben von diesem Preis …, eine Art Chronik …, das müsste doch machbar sein …“ Vielleicht hat dieses Treffen ja in der Schackstraße gleich beim Siegestor stattgefunden, dort bei H. Burda, wo die Idee vor fast 50 Jahren ihren Anfang genommen hatte. Bei diesem Wiedersehen dabei gewesen sein könnten die aus „der ersten Gruppe, die den Preis vorbereitet und vergeben“ haben: Hubert Burda, Bazon Brock, Peter Handke und Michael Krüger. Denn die anderen, Nicolas Born, Urs Widmer, Lars Gustafsson, Zbigniew Herbert, Peter Hamm und Alfred Kolleritsch, sind „zwar nicht tot, aber … nicht mehr unter uns“. Der Preis, von Hubert Burda gestiftet, sollte den Namen des italienischen Dichters Francesco Petrarca (1304–1374) bekommen, einer der Wichtigsten für die frühe italienische Literatur. Vergeben wurde er von 1975 bis 2014 und zwar an den unterschiedlichsten Orten, anfänglich an welchen, die irgendwie mit Petrarca zu tun hatten. Und immer war die Sache auch ein Fest zu dessen Ehren, immer ließ man die Unwägbarkeiten der Umgebung mitspielen beim Prozedere und auch die Unberechenbarkeit der Geehrten (1977 war der Preis an Herbert Achternbusch gegangen!). Von Jahr zu Jahr wurden es mehr Menschen, die mitzogen zur Verleihung des Literaturpreises für zeitgenössische Dichter und Dichterinnen. Und fast hätte man sich da verzetteln können mit dem dazukommenden Übersetzer-Preis, dem zur Erinnerung an den 1979 verstorbenen Nicolas Born vergebenen „Born-Preis“, einem, nach dem Fall der Mauer, Preis für „junge osteuropäische Dichter“, dann, nach dessen Tod 1998 einem nach ihm benannten Hermann-Lenz-Preis. Beim ersten Mal jedenfalls war der Preis posthum an Rolf Dieter Brinkmann gegangen. Zur Übergabe an die Frau traf man sich auf dem Mont Ventoux, wo der Wind dann auch recht wehte, an den Hosenbeinen und Röcken der bergsteigenden Büchermenschen riss. Fotos von der immer begleitenden Isolde Ohlbaum belegen das. Ihre Aufnahmen durchziehen den Band ganz wunderbar. Der Mont Ventoux war der Gipfel gewesen, den Petrarca 1336 ziemlich wagemutig bestiegen hatte, worüber er dann einen erstaunlichen wie wunderbaren Text verfasste. Die Liste der mit dem Preis bedachten Schreiber und Schreiberinnen liest sich wie ein großes Stelldichein aus noch nicht ganz vergangenen goldenen Literaturzeiten. Genannt werden da unter vielen anderen: Ilse Aichinger, Durs Grünbein, Zbigniew Herbert, Barbara Honigmann, Sarah Kirsch, Friederike Mayröcker, Tomas Tranströmer, Paul Wühr … Die Treffen wirkten lässig und irgendwie frei, ließen das Einige an Arbeitsaufwand kaum ahnen.

„Der Petrarca-Preis · Eine Chronik“, zusammengestellt von Michael Krüger, Bernhard Klein und Stephan Sattler, kommt sehr ordentlich daher, Jahr für Jahr wird abgehandelt, einer Literaturprobe des Preisträgers, der Preisträgerin, folgt ein Foto, dann ein Begleittext, literarisch-essayistisch gehalten, der noch einmal die Stimmung der jeweiligen Preisvergabe herauf beschwört (diese Texte stammen, wie das aussieht, wohl alle von Michael Krüger und manche waren auch schon hier und da zu lesen gewesen). Sind viele Menschen auf den Fotos zu sehen, geben die Bildunterschriften nicht immer klar Auskunft über die Gezeigten. Und ein bisschen mehr hätte man auch gerne erfahren über Diskussionen hinter den Kulissen, mehr darüber, warum es zwei Jahre lang keinen Preis gab, auch darüber, dass einige Jury-Mitglieder Probleme damit hatten, was in Burdas Verlag sonst so an „Schmutzblättern“, wie das DIE ZEIT 1992 nannte, herauskam. Aber das Ganze ist ja eine wohlmeinende, in mediterranem Licht leuchtende Sicht von innen und eben keine literaturwissenschaftliche Arbeit, die sicher irgendwann folgen könnte und die ohne das „Flair“ eines vergangenen Umgangs mit Literatur auskommen muss.

Michael Krüger, Bernhard Klein, Stephan Sattler (Hrsg.):
Der Petrarca-Preis
Eine Chronik
gebunden, 368 S., 239 Abb.
Wallstein Verlag
Göttingen 2021
29,90 Euro