Die Leipziger Buchmesse wird dieses Jahr zum ersten Mal von einer Marketingfachfrau geleitet.

Von Michael Berwanger

Im Blätterwald und den Rundfunkanstalten toste es gewaltig, als im vergangenen Jahr der langjährige Leiter der Leipziger Buchmesse, Oliver Zille, seinen Posten hinschmiss, obwohl ihm nach der dreijährigen Corona-Zwangspause ein bemerkenswertes Comeback der Buchmesse gelungen war. 33 Jahre lang hatte er eine der ältesten deutschen Fachmessen für Literatur gelenkt und dabei nicht nur die Transformation vom sozialistischen Wirtschaftsplan zur kapitalistischen Unternehmensstruktur geschafft, sondern er hatte auch ohne Rückschlag den Umzug von der komfortablen Innenstadtlage „Messehaus am Markt“ zum neuen Messegelände im Norden Leipzigs vollzogen. Und mehr noch: Er konnte beständig Besucherzahl wie Zahl der teilnehmenden Verlage steigern, etablierte die Leipziger Buchmesse nach der Frankfurter Buchmesse zum zweitgrößten Literaturort, machte aus ihr das größte deutsche Literaturfestival.

Warum also musste oder wollte Zille gehen? Die offizielle Version hieß: „aus persönlichen Gründen“. Aber schon bald war zu lesen, dass man sich von der Messeleitung mehr Marktorientierung wünsche, hörte man vom Gerangel um zu niedrige Eingruppierungen in das neu geschaffene Tarifgeflecht für die Mitarbeitenden in Zilles Stab und auch davon, dass Zille davor warnte, den Kommerz vor die Literatur zu stellen. Die Suche nach einer neuen Leitung werde  – so wurde verkündet – schwierig werden und viel Zeit in Anspruch nehmen. Umso erstaunlicher war es, dass es am Ende doch schnell ging. Noch erstaunlicher, dass eine bis dahin kaum bekannte Fachfrau für Marketing auserkoren worden war.

Astrid Böhmisch, ehemals langjährige Marketingchefin beim Münchner Piperverlag wie – in den letzten beiden Jahren – General Manager beim Digitaldienstleister Bookwire , wird am 21. März als erste Direktorin die Leipziger Buchmesse eröffnen.

Die Geschichte der Leipziger Buchmesse reicht bis ins 17. Jahrhundert zurück, 1632 überstieg die Zahl der vorgestellten Bücher erstmals die Zahl an Titeln, die auf der Buchmesse in Frankfurt am Main gezeigt wurden. Besonders im 18. Jahrhundert stellte Leipzig mit seinen Verlegern und Buchhändlern das Zentrum des modernen deutschen Buchhandels dar. 1825 gründete sich hier der erste „Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig“, der 1991 dem damals 35 Jahre alten Frankfurter „Börsenverein des Deutschen Buchhandels“ angegliedert wurde.

Im Unterschied zur Frankfurter Buchmesse gibt es in Leipzig keine Fachbesuchertage. Das macht die Leipziger Messe so wertvoll für Leserinnen und Leser. Sie wird als nahbar und fröhlich empfunden. Die Leseveranstaltungen und das parallel stattfindende Lesefest „Leipzig liest“ –
Europas größtes Lesefestival – verteilen sich über die gesamte Leipziger Innenstadt. In den 2010er Jahren hat sich in Leipzig auf und parallel zur Messe immer stärker eine Manga- und Comic-Kultur etabliert, die viele junge Leute anlockt und unter dem Namen „Manga-Comic-Con“ die am stärksten wachsende Nische darstellt. Eine besondere Spielart davon ist das „Cosplay“. Dabei schlüpfen Menschen in die Rollen von fiktiven Figuren aus Büchern oder Filmen, verkleiden sich entsprechend und ahmen die dargestellten Figuren in ihrem Verhalten nach. Vor allem am Messe-Wochenende stellen sich in Leipzig zahlreiche Cosplayer zur Schau. Das Segment Mangas, Comics und Graphic-Novels füllt inzwischen eineinhalb der fünf Messehallen.

Seit 1995 findet während der Buchmesse als Ergänzung zum Messeprogramm auch die Leipziger Antiquariatsmesse statt. Seit 2005 kürt die Leipziger Messe jedes Jahr deutschsprachige Werke in den Kategorien Belletristik, Sachbuch/Essayistik und Übersetzung mit dem Preis der Leipziger Buchmesse.

Wenn die Buchmesse am 21. März – in diesem Jahr mit dem Gastland Niederlande – ihre Tore öffnen wird, wird sich zeigen, ob die neue Direktorin, Astrid Böhmisch, sich von dem großen Schatten befreien kann, den ihr Vorgänger Oliver Zille geworfen hat.

Leipziger Buchmesse
21. bis 24. März
Messegelände Leipzig
Mehr unter:
www.leipziger-buchmesse.de