Von Markus Czeslik

„Mit dem Verlag habe ich mir einen Traum aus Studienzeiten erfüllt“, sagt Thomas Schillo. Zufrieden sitzt er mit seiner Tochter in einem hellen Atelier gegenüber dem Ostbahnhof. Sophie hat mittlerweile fast die komplette Verlagsarbeit von der Autorenbetreuung über die Inhalte und Gestaltung bis zum Vertrieb übernommen. Auch das macht Thomas Schillo stolz: „Um die Zukunft brauche ich mir keine Sorgen zu machen.“

Dass hinter den individuellen Gestaltungskonzepten eine gelernte Grafikdesignerin steht, merken Leserinnen und Leser nicht zuletzt an der jüngsten Veröffentlichung, dem „Tanz der Vokale“. Die „Fantasiestücke“ des Münchner Autors Reinhard Ammer, im aufwendig gestalteten Band mit Blindprägung und offener Fadenheftung, klingen nicht nur außergewöhnlich, sie sind auch ein Fest fürs Auge. Ein Herzensprojekt aus der Reihe der experimentellen Literatur.

Angesichts der spielerischen Kombination von bekannten Wörtern und Neologismen („Zigzinnig blinkt Riminis ‚Ritz‘ im Frischwind“) haben die Leserinnen und Leser viel zum Schmunzeln. Zugleich nötigt einem so viel Ideenreichtum und Erfindungsgabe großen Respekt ab, aber auch die Arbeit an sich: Ammer schürft seit Jahren nach Vokalen; als Ergebnis präsentiert er im Anhang einen immensen Wort-Schatz des Monovokalismus.

Dass sich experimentelle Literatur gut verkaufen kann, haben Bea Michl und Emil Bach mit dem Titel „Auf ein Maoam mit Otto“ bewiesen. Ausgehend von diesem Palindrom gelingt ihnen in 123 Variationen eine amüsante Sprachspielerei, die nebenbei Themen aus dem gesellschaftlichen Diskurs auf den Arm nimmt. Das Werk wurde 2022 als eines von „Bayerns beste Independent Bücher“ ausgezeichnet.

Neben den eher heiter-skurrilen Publikationen bleibt genug Raum für ernstere Themen, wie in „Ein Schaben“: Tommi hat sich immer danach gesehnt, dass sein großer Bruder ihm Halt gibt. Erst mit zeitlichem Abstand kann er sich mit den „allesfressenden Monstern“ auseinandersetzen, den Depressionen, die seinem Bruder Micha das Leben zur Hölle machten. Dem Autor Robert Wolfgang Segel ist kein Weg zu weit, um sein Debüt der Leserschaft und dem Handel näherzubringen. Der Realschullehrer hat sich dafür extra ein Sabbatjahr genommen.

Umgekehrt schätzen die Autor*innen es, wenn der Verlag auf ihre Bedürfnisse eingeht. „Dafür stehen wir“, betont Sophie Schillo. „Vom Erstkontakt bis zum Lektorat.“ Die persönliche Ansprache und ein ehrlicher Umgang miteinander seien sehr wichtig.

Thomas Schillo bereut keine Sekunde, dass er den Weg als Verleger eingeschlagen hat – auch wenn es schon schwierige Zeiten durchzustehen gab. Alles begann mit einer Buchhandlung und einem Lesecafé im Westend. „Ich habe immer sehr viele Projekte am Laufen gehabt; irgendwann wurden es zu viele“, erinnert er sich. 2016 führte er deshalb seine unterschiedlichen Editionen unter einem Dach zusammen.

Weil der Verlag im Netzwerk mit anderen und durch gemeinsame Auftritte mehr (Strahl-)Kraft hat, schlossen sich Thomas und Sophie den „Münchner Buchmachern“ an. Mit einem zusätzlichen Bücherfest im Garten des Schleusenwärterhäuschens am Isarkanal möchten sie eine neue Plattform für Indies etablieren.

Neben der Konzentration aufs Verlagsgeschäft entschieden sich Thomas und Sophie zu einer klareren Positionierung. Stand vormals noch ein Koch- neben einem Kinder- oder Kunstbuch, ein Gedichtband neben einem Deutsch-Übungsheft, richten die beiden nun ihren Fokus auf Romane, Erzählungen, Lyrik und experimentelle Literatur – möglichst mit regionalem Bezug.

Und was entscheidet darüber, ob etwas publiziert wird? „Es muss uns einfach packen“, sagen Sophie und Thomas Schillo unisono. „Wir müssen das Gefühl haben: Diese Geschichte ist es wert, erzählt zu werden.“

Mehr Informationen unter: schillo-verlag.de

Bisher erschienen in der Reihe „Unabhängige Verlage“:
Hagebutte Verlag, Stroux edition