Empfehlung für den Osterausflug: die Städtischen Galerie Rosenheim
Von Michael Berwanger
Auf nach Rosenheim! Zugegebenermaßen gibt es in Oberbayern romantischere Städte. Dabei war es einst ein blühendes Handelszentrum. Nicht der Zweite Weltkrieg sei schuld an der Verunstaltung des Ortes, sondern – so wird hinter vorgehaltener Hand kolportiert –Albert Steinbeißer, in den 70er Jahren Oberbürgermeister der Stadt, habe die alten Strukturen aus der Innenstadt entfernen lassen, um Platz zu schaffen für ein mondänes Rosenheim.
Wir wollen aber kein City-Sightseeing machen, sondern die Städtische Galerie besuchen. Wenn man beim Lokschuppen, dem bekanntesten Ausstellungsort Rosenheims, vorbeikommt, stößt man auf einen klassizistischen Bau, eingeschossig mit Säulenportal, der Reisende aus München sehr stark ans Haus der Kunst erinnert. Rechts eine Eisen-Plastik von Werner Pokorny, der Eingang ist mittig.
Ich bin mit Monika Hauser-Mair, Leiterin der Städtischen Galerie Rosenheim, im Galeriecafé verabredet; eine zupackende, Fröhlichkeit versprühende Kulturmanagerin.
Seit Dezember 2022 läuft die Ausstellung „Wegschauen verboten!“ Gezeigt werden Zeichnungen und Kollagen aus politischen Bilderbüchern, also illustrierte Bücher, die sich thematisch mit härteren Themen des Lebens auseinandersetzen wie Tod, Krieg oder Flucht. Mit F. K. Wächter (gest. 2005) ist nur ein einziger Künstler politischer Illustrationen vertreten, der zur älteren Generation gehört. Mehrheitlich richtet sich die Ausstellung an ein junges Publikum. Die Themen Holocaust oder Nationalsozialismus stehen nicht im Vordergrund, obwohl diese u. a. mit Barbara Yelin prominent vertreten sind. Der größere Teil der Ausstellung widmet sich gegenwärtigen Herausforderungen: Flucht und Krieg, Ökologie und Jugendprotest, Familienschicksal und Selbstfindung. Und immer wieder geht es darum, Kinder und Jugendliche in ihrem Selbstwert zu bestärken. „Wie du bist, so bist du richtig“ von Nadja Budde aus dem Band „Und außerdem sind Borsten schön“ ist eines der anrührendsten Exponate in Rosenheim.
Ich frage Monika Hauser-Mair, wie es kommt, dass sich ihre Galerie so stark mit Buchillustration beschäftigt. Sie habe bereits bei ihrer Bewerbung im Jahr 2000 darauf gedrungen, erläutert sie, das Thema Bilderbuchillustrationen mit aufzunehmen, um Ausstellungen generationenübergreifend präsentieren zu können. Die Städtische Galerie Rosenheim sei, im Gegensatz zum Lokschuppen, kein zweckentfremdeter Bau, sondern – aufgrund einer Schenkung des Künstlers und Sammlers Max Bram – als Galerie gebaut worden. Allerdings sei sie erst 1937, 33 Jahre nach dieser Schenkung, während der nationalsozialistischen Diktatur, eingeweiht worden. Das sei der Grund, warum die Galerie dem Münchner Haus der Kunst so ähnlich sehe, und daraus erwachse auch eine besondere Verpflichtung für die heutigen Generationen.
Auf meinem Rundgang durch die Galerie, die nicht nur äußerlich, sondern auch in ihrem inneren Aufbau der großen „Schwester“ in München ähnelt, gelange ich zuerst in die Mittelhalle mit Glasdach und den charakteristischen Sollnhofener Bodenplatten. Christine Knödler, die als Kuratorin die gesamte Ausstellung konzipiert hat, ließ dort unter dem Titel „Young Rebels“ überlebensgroße Porträts von 25 Jugendlichen aufstellen, die die Welt verändert haben, wie etwa die Umweltaktivistin Greta Thunberg oder die junge pakistanische Malala Yousafzai, die sich bereits mit 11 Jahren für Frauenrechte engagierte. In kraftvollen monochromen Farben in Holzschnitt-Art strahlen sie den Besucher*innen entgegen. Die anderen Säle, um die Mittelhalle angeordnet, stehen jeweils unter einem eigenen Motto, wie zum Beispiel: „Gewalt beenden“, „Weniger ist mehr“, „Nie wieder“ oder „Toleranz“. Zu den Exponaten – fast ausschließlich Originalillustratio-nen – sind Gegenstände gestellt worden, die die Themen erzählerisch ergänzen. Außerdem gibt es in allen Räumen Sitzinseln, wo jene Bücher zum Schmökern bereitliegen, aus denen die Bilder stammen.
Im Galeriecafé, wo ich mit Monika Hauser-Mair in einer Ecke sitze, ist zentral eine „Mitmachtafel“ an die Wand montiert. Jede*r kann den auffordernden Satz „Einmal im Leben möchte ich …“ mit eigenen Wünschen ergänzen. Kleine Kinder und größere Jugendliche drängen sich davor und füllen auch noch die letzten Winkel dieser Tafel. Es herrscht fröhliches Gelächter. „Da hat Katrin Stangl, die das Buch gezeichnet hat, auf die die Idee zu dieser Tafel zurückgeht, Leute unterschiedlichsten Alters befragt, und dieses Buch ist so herrlich – zum Beispiel eine ältere Dame, die man in dem Buch als Zeichnung sieht – und unter dem Bild steht nur, … einen Mann richtig verstehen können‘“, erzählt die Museumsleiterin und lacht dabei ansteckend. „Es geht in dieser Ausstellung natürlich um die harten Themen dieser Zeit – Krieg, Flucht, Vertreibung – aber mit dieser Wand wollten wir unbedingt ein Lächeln auf die Lippen unserer Besucher*innen zaubern. Ich glaube, das gelingt uns gerade.“
Die Ausstellung läuft noch bis Ende der Osterferien, sie ist also wie geschaffen für einen Ausflug in die Umgebung.
Städtische Galerie Rosenheim: Wegschauen verboten! – Das politische Bilderbuch
Max-Bram-Platz 2, Rosenheim
Noch bis 16. April, Dienstag bis Sonntag von 13 bis 17 Uhr,
montags und feiertags geschlossen (Ostersonntag geöffnet)
Eintritt: 10/8 Euro