Ins Theater, in die Oper, zur kultivierten Lesung gehen wir in der Regel nicht in Shorts und ausgeleiertem T-Shirt. Und noch viel weniger mit Plastiksandalen für den Garten oder Gummistiefeln. Auch nicht mit dreckverkrusteten Wanderschuhen oder Bommel-bewehrten Plüschhausschuhen, in denen uns wirklich niemand außerhalb der Familie sehen sollte.

Wir geben uns also Mühe mit dem Äußeren, wenn wir ausgehen. Nicht nur bei der Hochkultur. Auch das lässige Outfit für den Club und die Kneipe krönen wir nicht mit Gummistiefeln oder Hausschlappen. Das Schuhwerk ist durchaus entscheidend, wenn wir uns zurechtmachen. Und eine Birkenstock-Sandale ruiniert definitiv jedes Bemühen um ein klein wenig Eindruck. Eine solche Sandale kann selbst aus dem Maßanzug und dem darin steckenden Beau eine Lachnummer machen. Zerstört aber auch den lässigsten Aufzug fernab von Anzug und Krawatte. Es geht hier also um Schuhe? Nicht nur. Es geht um Schuhe am Fuß und um Einladungen, die uns dieser Schuhe berauben wollen. Einladungen, zu denen wir jederzeit in Hausschlappen gehen können, weil wir die Schuhe unter der Haustür ausziehen müssen. Einladungen, bei denen wir darauf achten sollten, frische und tadellose Socken und Strümpfe zu tragen, da wir den Abend schuhlos verbringen werden.

Geschickterweise kommt man in solche Haushalte gleich in Schlappen, wie lächerlich auch immer das aussehen mag, alles andere ist sinnlose Liebesmüh’. Das bedeutet natürlich auch, dass man sich kaum Gedanken um ein stimmiges Gesamtbild machen muss, das honoriert ein solcher Haushalt ohnehin nicht. Denn die Schuhe müssen ausgezogen werden, auch wenn es schon lange keine auf dem Boden robbenden Kinder mehr im Haus gibt und der Boden mit Hundehaaren bedeckt ist. Ich nehme Einladungen solcher Haushalte grundsätzlich kein zweites Mal an, denn einen Gast seiner Schuhe zu berauben, erscheint mir beinahe so, als verlange der Hausherr von mir, den BH abzulegen, da die Gattin seit einem Selbstfindungskurs hysterisch auf die Stäbchen aus Metall reagiere. Schmunzelnd denke ich an meine verehrte Baronin, Gott hab´ sie selig, meine einstige Vermieterin, die so gern große Gesellschaften gab. Bis aus der Schweiz kamen sie angereist, mehrmals im Jahr, in großen Limousinen, aber auch in ganz bürgerlichen Kleinwagen. Und ich stelle mir vor, wie sie ihre Gäste empfangen hätte mit dem Hinweis, doch bitte die Schuhe auszuziehen. Ganz abgesehen davon, dass in den alten Mauern niemand in Strümpfen hätte herumlaufen können, ohne sich den Tod zu holen, meine Baronin wäre in ihren Kreisen für immer geächtet gewesen.

In bürgerlichen Kreisen haben viele das Schuheausziehen leider so verinnerlicht, dass man unter der Haustür schon rufen muss: „Nein, bitte nicht die Schuhe!“ Und selbst dann ziehen manche noch wie ferngesteuert an den Schnürsenkeln.

Gabi Eichl