Das „Literaturportal Bayern“ bietet eine Tour d’Horizon der Bayerischen Literatur. Dieses Mal ganz „analog“.
Von Katrin Diehl
So herum geht es natürlich auch: dass Texte einer digitalen Plattform in einem Buch zusammenfinden. Gefühlt werden sie dadurch sichtbarer, erreichen vielleicht noch einmal ein anderes Publikum. Jedenfalls fährt man auf diese Art und Weise zweigleisig. Veränderungen müssen dabei – von einem zum anderen Medium – in irgendeiner Form vorgenommen werden. Denn selbstverständlich stehen hinter einem Buch eigene Gesetzmäßigkeiten, bestimmt durch die spezifischen Lesegewohnheiten der Rezipienten. Und dann gibt es da auch noch den Kostenfaktor. Eine Textauswahl muss also getroffen werden (weil: digital ist ja sozusagen endlos Platz), Textlängen müssen bestimmt, an einem Layout darf gebastelt werden. Der Band „Das Blaue vom Himmel“ macht was her. Man greift gerne danach, wundert sich über das Gewicht, das einem da zwischen den Händen liegt, lässt die 260 Seiten erst einmal im Schnellblätterdurchlauf an sich vorüberziehen und freut sich an der optischen Kurzweil, die einem da geboten wird: ein locker-luftiges, bisweilen originelles Layout, viele Bilder, viel Farbe, viel Abwechslung. Das Buch enthält eine Auswahl von Beiträgen, „die ursprünglich im Literaturportal Bayern erschienen sind“, einer digitalen Plattform der Bayerischen Staatsbibliothek in Kooperation mit der Monacensia, „getragen und begleitet vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, unterstützt von der Landeshauptstadt München“. Durch diese Plattform lässt sich unterhaltsam wandern. Man springt mal hierhin, mal dorthin. Da wirkt die Übertragung ins Buch, herausgegeben von Peter Czoik, Stephan Kellner und Fridolin Schley, schon etwas schwerfälliger, und man tut sich nicht so leicht mit dem ewig lockenden Ton darüber, was das schöne Bayernland eben auch im Bereich der Literatur zu bieten hat. Wobei die 17 Kapitel unter den Schlagworten „Aufbrüche“, „Passionen“, „Dialekt und Region“, „Bilder und Bühnen“, „Krieg und Verbrechen“, „Grenzgänge“ wirklich Mannigfaltigkeit versprechen, zumal sie von unterschiedlichen Autoren und Autorinnen bestückt wurden. Es geht da um den „Bayerischen Hiasl“ genauso wie um den Mundart-Dramatiker Martin Sperr, um Schriftstellerinnen Ende des 19. Jahrhunderts genauso wie um Liesl Karlstadt und Karl Valentin, um Comic, Kabarett und Poetry Slam, um Jean Paul und Wedekind … All das wird zum Lustkriegen angerissen. Dabei wurde dann aber doch ab und zu ein bisschen ungeschickt und offensichtlich einfach nur vom Digitalen aufs Papier „kopiert“. Dopplungen fallen auf. Es wird spürbar, dass da etwas aus dem Kontext herausgenommen wurde … Erklärungen, Interpretationen haben etwas brav Schulbuchmäßiges. Superlative, Hochpreisungen sind dicht gestreut. Sätze wie, „Was zeigt: Kaba-rett wird großgeschrieben in seiner Hochburg München“, transportieren in ihrer Redundanz zu viel des Guten, wie folgende Passage zu viel des Schlechten: „Die meisten Schriftstellerinnen, auch in Bayern, tragen die Schlachten an der Heimatfront aus, übertreffen ihre männlichen Kollegen an Chauvinismus und Fremdenhass. Bayerische Schriftstellerinnen bilden dabei keine Ausnahme.“ Und warum müssen es „ärmlichste Verhältnisse“ sein, in denen Liesl Karlstadt aufwuchs, wenn „arme Verhältnisse“ schon wirklich traurig genug sind? Warum ist oft von „Themenessays“ die Rede, wenn sich ein Essay ohne Thema nicht denken lässt? Und bitte auf Seite 44 korrigieren: Denn „Die Riesenzwerge“ sind ja nicht von Karin Struck, sondern von Gisela Elsner.
Voller bizarrer Kuriositäten und deshalb sehr lesenswert ist das Kapitel von Michaela Karl über den Dichter und Journalisten Edgar Kupfer-Koberwitz und die Rettung dessen Manuskripts, den „Dachauer Tagebüchern“, das er von Ende 1942 bis Anfang 1945 während seiner Zeit im Konzentrationslager verfasst hatte. Und großes Lesevergnügen bereiten Andreas Ungers wissende wie persönliche „Gedanken zur baierischen Mundartlyrik“. Davon will man mehr.
Peter Czoik, Stephan Kellner,
Fridolin Schley (Hrsg.):
Das Blaue vom Himmel
Literaturgeschichten aus Bayern
260 Seiten, Allitera Verlag
München 2021,
25 Euro