Gedichte, Songtexte, Performances … bei der Autorin und Musikerin Mira Mann finden die Worte ihren Platz

Von Katrin Diehl

Mira Mann freut sich spür- wie sichtbar aufs nächste Schreiben. Zwei Dinge sind abgeschlossen: ihr dritter Gedichtband mit Titel „Kontrolle“ wie auch – nach „Ich mag das“ (2019) und „Schau mich an“ (2021) – ihr drittes Musikalbum „weich“. „Es ist so gut, loszulassen und von vorne zu beginnen“, sagt sie. Wenn von ihr Sätze fallen wie: „Ich schreibe für mich; ich schreibe, weil ich muss; es tut mir gut, zu schreiben“, dann sind die nicht einfach so zu nehmen. Dann stehen die bereits sehr in Kontakt mit dem, was sie künstlerisch tut. Mira Mann konfrontiert mit sich und das immer wieder. Diese Entscheidung hat sie fürs Erste getroffen wohl ahnend, dass das Publikmachen ihrer Texte, diese ihre eigenen Wege gehen lässt. Ihre Gedichte treffen. Und das tut auch ihre Musik. Tun auch ihre Videos, die beinahe körperlich wirken (eingefangene Hitze, sichtbare Trockenheit, Mira Manns Gesicht hinter einer dünnen Plastikfolie, süßeste Kirschen, die in Richtung ihres Munds wandern…). Das hat auch mit klar gesetzten, unverstellten Worten, auch mit sinnlichen Trigger-Momenten zu tun. Mira Mann lässt die Präsenz ihrer Wahrnehmungen und ihres Körpers ziemlich ungeschützt in ihre Gedichte, Songtexte einfließen. Das Performative, das allem, auch dem gedruckten Wort, innewohnt, kreiert Kräfte. Sie hat ihren eigenen Sound. „Ja, den habe ich jetzt gefunden“, sagt sie und da schwingt die Zeit des Suchens noch mit.

Geboren wurde Mira Mann 1987 in München.  Sie hat Neuere Deutsche Literatur, Theaterwissenschaft und Mediävistik hier an der LMU studiert, ist eine an der Londoner Royal Academy of Dance ausgebildete Tanzpädagogin. Als Schülerin gründete sie zusammen mit anderen die Post-Punk-Band Candelilla, die über 15 Jahre bestand, international Beachtung fand und drei Alben veröffentlicht hat.

2017 bekommt Mira Mann die Prognose einer Multiplen Sklerose Erkrankung gestellt. 2019 erscheint ihr erster Gedichtband „Gedichte der Angst“, im selben Jahr ihr Debutalbum „Ich mag das“. Wo das „Eis dünn ist“, begibt sie sich hin. „Das ist meine Richtung“, sagt sie. Die Suche nach der Angst setze Energien bei ihr frei. „Und daraus wurden meine ‚Gedichte der Angst‘, weil ich immer wieder denke, dass ich mich mehr damit beschäftigen muss, was mir Angst macht, als damit, was ich für eine Krankheit habe“, erklärt sie.

Der zweite Gedichtband „Komm einfach“ kommt 2020 heraus, erscheint, wie all ihre Bücher, bei der Kölner „parasitenpresse“ und liest sich wie der Versuch, die Aufforderung, alles auch ganz anders, mit neuer Wertschätzung sehen zu können:

„Komm einfach. Ausatmen ausatmen ausatmen, warten, dass alles stillsteht. Sonne, sanfte frische Sonne. Komm einfach, keine Grenze, keine Gefahr. Komm einfach zu mir und dann bleib Haut an Haut…“ In das Jahr 2020 fällt auch die Geburt des ersten Kindes, natürlich ein körperliches Ereignis, das Spuren bis in die Texte hinein hinterlässt.

Mira Mann kann aus dem Vollen schöpfen: „Wenn es das Wort nicht gibt, das ich brauche, wechsle ich das Metier. Ich verlange nicht von dem Material, es müsste anders sein als es ist. Ich verlange nicht von den Wörtern, dass sie anders sein sollen als sie sind. Ich finde sie gut so wie sie sind. Aber natürlich habe ich ab und zu das Gefühl, ich kann jetzt etwas nicht so ausdrücken, wie ich will. Dann wechsle ich zur Musik. Und wenn das immer noch nicht funktioniert, dann wechsle ich hin zur Performance, und wenn das immer noch nicht funktioniert, dann mache ich ein Video.“ Es sind die Zwischenräume, die Mira Mann sehr gezielt sucht, und die sie auf keine Kunstform festlegen: „Es gibt das Verlangen in mir, nicht in die Schublade zu passen, stattdessen das Dazwischen zu finden. Denn dort finde ich Raum für die Worte, die ich benutzen will. Also, ich will dazwischen. Unbedingt.“ Mira Mann verändert ihre Texte, je nachdem, wo sie abgedruckt werden. Etwas ist anders, wenn man „Kontrolle“ in ihrem Gedichtband liest im Vergleich zum Abdruck in „Das Wetter“, einem Magazin für „Text & Musik“. Und natürlich passiert etwas, wenn sie ihre Texte als Musik-Performance präsentiert oder in einem Track konserviert. Umso schwieriger wird es, sie einfach so zu zitieren und hoffentlich geht das in Ordnung so (aus „Kontrolle“):

Ich schreibe, um Luft zu kriegen. Ich schreibe für meinen Körper. / Ich schreibe, um die Distanzen wieder zu erkennen, was ist nah, was ist fern. / Mein Körper, aufgerissen, keine Grenzen mehr, ich schreibe, um meine Grenzen wieder hochzuziehen. / Ich schreibe für Perspektivwechsel, üben, wo anders hinzuschauen.

In unserer Serie „Jung und schreibend“, in der wir junge Münchner Autor*innen vorstellen, porträtierten wir bisher Lisa Jeschke, Leander Steinkopf, Daniel Bayerstorfer, Katharina Adler, Benedikt Feiten, Caitlin van der Maas, Samuel Fischer-Glaser, Vladimir Kholodkov, Annika Domainko, Jan Geiger, Ines Frieda Försterling, Rebecca Faber, Natascha Berglehner, Tristan Marquardt, Martin Kordić, Moritz Hürtgen, Bernhard Heckler und Joana Osman.