„Sag Alex, er soll nicht auf mich warten“ von Irene Diwiak

Von Stefanie Bürgers

Vor 80 Jahren lehnten sich die Mitglieder der „Weißen Rose“ mit Flugblättern gegen die Nazi-Diktatur auf. Dem neuen historischen Roman von Irene Diwiak gelingt es, den Mitgliedern der Widerstandsgruppe eine greifbare Menschlichkeit zu verleihen, ohne die Historie zu vernachlässigen.

Die Freundschaft zwischen den Medizinstudenten Alexander Schmorell, gebürtiger Russe und zeitlebens russischer Patriot, und Hans Scholl, gläubiger Christ und freiheitsliebend, beginnt mit einem riskanten Manöver. Statt am Wehrsporttraining der Studentenkompanie teilzunehmen, liegen die Beiden lieber mit einer Flasche Wein in der Wiese, lesen und philosophieren. Das ist möglich, weil man sich nach dem Appell im Gewirr der Gruppeneinteilung davonstehlen kann, so man sich traut.

Während des Studiums werden Hans und Alex in ein Feldlazarett an der Ostfront abkommandiert, wo sie die Sinnlosigkeit und Grausamkeit dieses Krieges erleben. Freiheit und Ehre scheinen verloren. Alex’ Liebe zu seiner seelischen Heimat Russland, die innere Zerrissenheit, die er als deutscher Soldat in Russland fühlt, befeuern seinen Widerstandsgeist. Der Freigeist Hans wiederum leidet noch unter dem Strafprozess aus Jugendtagen, wegen seiner sexuellen Orientierung und des Führens einer Jugendgruppe außerhalb der Nazi-Strukturen.

Den Fahneneid, mit dem Alex und er dem „Führer“ Gehorsam bis in den Tod geschworen haben, stellen sie nun infrage. Als sie durch einen Freund aus erster Hand von den Gräueltaten gegen die Juden erfahren und hören, dass in Stalingrad Soldaten sinnlos in den Tod geschickt werden, drängt es sie, das deutsche Volk aufzurütteln. Nun ist es so weit.

Wieder zuhause entstehen in kontroversen Debatten mit weiteren Mitgliedern der „Weißen Rose“, u. a. Sophie Scholl, Christoph Probst, Willi Graf und Professor Huber, die Texte für die sechs Flugblätter, die zum Widerstand aufrufen. Diwiak lässt die Gruppe direkt, ehrlich und oftmals unbarmherzig miteinander diskutieren. Keine makellosen Helden, sondern leidenschaftliche Menschen mit Hoffnungen und Ängsten.

Fünf Flugblätter sind bereits in Umlauf, als Hans und Sophie zum ersten Mal in der Münchner Universität das Sechste auslegen. Doch sie werden entdeckt und verhaftet. Hans will Alex warnen, bringt ihn aber mit dem unbedachten Zuruf an eine Freundin, „Sag Alex, er soll nicht auf mich warten“, in Gefahr.

Nicht alles sei wahrheitsgemäß erzählt, so Diwiak im Nachwort zum Buch, aber die Figuren seien wahrhaftig. Wahrhaft ein lesenswertes Buch.

Irene Diwiak:
Sag Alex, er soll nicht
auf mich warten.
Roman, 366 Seiten
C.Bertelsmann
München 2023
24,- Euro
ISBN 978-3-570-10468-2