Der Dichter mag dabei noch gar nichts Schlimmes denken, das Schlimme kommt ja dennoch über ihn. Er bummelt durch Bücher, geht eben mal Milch holen oder feilt an einer Ballade – schon wirft der Krieg ihn mit Gewalt aus seinem Leben. Bei Goethe (43, ein Sohn) jedenfalls war das 1792 so, als sein Herzog, Freund und Sponsor ihn an die Front nach Frankreich rief (alles sah nach schnellem Sieg aus und endete im Desaster). Oder bei Alfred Döblin, der (124 Jahre später) als Arzt und Dichter zerfetzte Beine absägen durfte, eiternde Wunden versorgen. Oder bei Heimito von Doderer, der ab 1916 als russischer Gefangener vier Jahre in sibirischen Lagern zubrachte und dort den Entschluss fasste, Schriftsteller zu werden. 

Fontane (50, sechs Kinder von mind. zwei Frauen) hingegen, dessen 200sten Geburtstag wir heuer feiern (am 30.12.), packte der Übermut: Er suchte den Krieg, reiste ihm im September 1870 hinterher und wurde vor der Geburtskirche von Jeanne d’Arc im Hundertseelenort Domrémy verhaftet. Er hatte noch, notiert er später, seinen Revolver „derart in der Reisedecke versteckt, dass ich ihn in Gefechtsstellung bringen konnte“ – es nutzte nichts, au contraire! Man schrieb den 5. Oktober. Sedan war zwar längst „gefallen“, wie das so heißt, aber der Krieg noch in vollem Gange. Der Journalist T. F. wurde auf das Château der Insel d’Oléron nahe der Atlantikküste verschleppt und als Spion um ein Haar standrechtlich erschossen. Nur das Eingreifen Bismarcks und sein gutes Französisch (Achtung Gymnasias-ten: Fremdsprache kann Leben retten!) bewahrten Fontane vor der Exekution und bescherten uns Lesern sämtliche Romane von „Vor dem Sturm“ bis „Der Stechlin“, die der Dichter bei ungutem Ausgang in seinem, sagen wir mal, Herzen mit sich in französische Erde genommen hätte, ungeschrieben.

Stattdessen erschien – ganz ohne Pathos, aber gut bezahlt, schon wenige Tage nach seiner Rückkehr zu Frau und Kindern in der liberalen Berliner Vossischen Zeitung zum ersten Weihnachtstag 1870 die erste Folge seiner Abenteuer-Erzählung „Kriegsgefangen: Erlebtes 1870“ – das Ganze kurz danach auch als Buch. Da die Familie beängstigend groß geworden war, herrschte Finanzbedarf. Fontane reiste bereits Ostern 71 wieder auf den (inzwischen befriedeten) Kriegsschauplatz und ließ seinen nächsten Bericht folgen: „Tage der Okkupation“.

Dieser 70/71er Krieg übrigens, bei dem es vordergründig um die spanische Thronfolge ging, den Bismarck/Moltke mit der „Emser Depesche“ genau kalkuliert und Napoleon III begonnen hatte, kostete 138.900 Franzosen und 49.380 Deutsche das Leben, brachte den Deutschen kurzfristig Elsaß-Lothringen und die „Erbfeindschaft“ Frankreichs ein, sowie (auch) in deren Folge den Ersten Weltkrieg. Wer möchte, kann in den Ferien die hübsche Badeinsel d’Oléron besuchen, den feinen Sandstrand und das Château. Der Eintritt ist frei.

W.H.