Zwei Füchse paaren sich vor dem Kanzleramt. Ja, haben die denn gar keinen Anstand? Das ist die falsche, weil anthropomorphisierende Frage. Tiere wandern in großer Zahl in den städtischen Raum ein, in Zeiten von Corona umso mehr. Die Biodiversität in den Städten, auch in den Großstädten übertrifft mittlerweile die im durch Monokulturen geprägten ländlichen Raum. Die Wildschweinrotte in der Vorstadt, der Biberbau im renaturierten Fluss, Waschbären, die sich aus Mülltonnen bedienen, sind nur besonders spektakuläre Beispiele. Und was sind das für gelbgraue in der Größe zwischen Wolf und Fuchs liegende Tiere? Goldschakale, deren Zahl in Europa inzwischen zehnmal höher als die der Wölfe ist.

Die Menschen haben auf einmal Zeit, einen Blick für diese Mitbewohner zu entwickeln, und sei es nur der Gesang der Amsel auf dem Balkongeländer, dem man auf einmal aufmerksam lauscht. Ganz zu schweigen von den Krähen, die zwar nicht singen können, dafür aber erstaunliche Intelligenz beweisen, wenn es um die Finessen der Nahrungssuche geht. Da bellt der Hund wütend, wenn ihm das von Frauchen zugedachte Leckerli von der blitzartig agierenden Krähe weggeschnappt wird. Die Unterschiede zwischen Wild- und Haustieren ebnen sich ein. So wird aus einem Außenbezirk der Stadt der pünktliche morgendliche Besuch eines Blaureihers gemeldet, der den reichlich gedeckten Frühstückstisch in Garten und Teich zu schätzen gelernt hat.

Die Tiere profitieren vom Mehr an Zeit, dass ihnen die Menschen in Corona-Zeiten widmen können. Zwar gilt es immer schon, dass Haustierbesitzer*innen kranke Tiere behandeln lassen und hungrige Tiere bewirten, aber die Vertreibung der Langeweile feiert neue Rekorde. Sport und Spiele, ob in- oder outdoor, erfreuen sich großer Beliebtheit. Die Tiere liegen des Abends erschöpft in den Kojen, weil sie so viel Action gar nicht gewohnt sind. Denn auch tierlose Nachbar*innen klopfen an, speziell wenn die Ausgangssperre nicht fürs Gassigehen gilt.

Und Hauskatzen durften immer schon alles, nur nicht sich vermehren. Manch eine(r) bedauert die voreilige Kastration, wäre doch schön jetzt mit so einem Wurf kleiner Kätzchen. Überhaupt der Nachwuchs. Da schlüpfen die Entchen aus dem Gelege auf der Terrasse im vierten Stock. Große Sorge, wie kommen sie runter, zumal der Vater schon lange nicht mehr gesehen ward?  Erleichterung! Die Mutter macht es vor und die Kleinen schaffen ihren ersten Flug in den Vorgarten,  aus dem sie gemächlich zum Wasser watscheln.

Aber vermutlich ist die gestiegene Zuwendung auf Wirbeltiere beschränkt? Mitnichten! Berichtet wird ein Fall aus Schwabing, wo die Hausbesitzer den Nestbau der Wespen auf ihrer Terrasse mit Spannung verfolgen. Hätten sie den Schwarzgelben vor Kurzem mit der chemischen Keule den Garaus gemacht, so posten sie jetzt Fotos vom Wespennest. Tempora mutantur.

Bernd Zabel