Volker Widmann und seine starke Naturpoetik
Von Ursula Sautmann
In „Die Molche“ malt Volker Widmann mit Worten eine Kindheit im Übergang zur Jugend in einem bayerischen Dorf. Der Krieg zwischen den Nationen ist beendet, in den Seelen der Menschen tobt er weiter. Die Väter sind innerlich und äußerlich versehrt und mit ihrem Schweigen den Familien ein Rätsel, die Mütter geben ihr Bestes, nur Halt suchen die Heranwachsenden vergebens.
Der Ich-Erzähler, der elfjährige Max, trifft auf eine Dorfgesellschaft, die kein Auge und kein Ohr für die Probleme des Nachwuchses hat. Und dann passiert etwas Furchtbares im Dorf. Max bleibt einsam und verlassen zurück, denn wieder wird abgewiegelt und geschwiegen. Doch er findet Ersatz, in der Natur, in Freundschaften und in ersten Liebeserfahrungen.
Der Autor ist Berater von sozialen Unternehmen und Veranstalter von Konzerten mit zeitgenössischer improvisierter Musik. Er lebt im Dachauer Hinterland. In „Die Molche“ findet er ergreifende Szenen für die Lebensumstände in der deutschen Nachkriegsgesellschaft, die ihren Kindern so wenig Sinn und Kompass zu bieten in der Lage war. Dabei lässt er seinen Helden die Verhältnisse auf dem Dorf mit allen Sinnen erforschen, erleben und in Worte fassen. Es gibt kaum eine Seite ohne detailgenaue, (fast) versessene Naturbeschreibungen, die Umgebung wird zum Ort der Zuflucht, hinzu kommen Freundschaften und erste Liebeserfahrungen, und innere Heimat wird erfahrbar. Mit „Die Molche“ hat Volker Widmann ein Buch (sein Debüt) vorgelegt, das Trost zu spenden vermag, weil es auf den Sinn des Lebens beharrt, indem es alle Sinne zu Wort kommen lässt.
Volker Widmann:
Die Molche
Roman, 252 Seiten, gebunden
DuMont Buchverlag, Köln 2022
22 Euro