In Bayerns Ämtern ist seit 1. April 2024 die mehrgeschlechtliche Schreibweise verboten. Nur: Wie kann etwas verboten werden, das in der Ausübung niemandes Recht einschränkt? Weil der Rat für deutsche Rechtschreibung meint, dass diese Schreibweise die Verständlichkeit von Texten beeinträchtigen kann? Mehrgeschlechtliche Schreibweisen durch Wortbinnenzeichen wie u.a. Gendersternchen, Doppelpunkt oder Gender-Gap sind nun ausdrücklich unzulässig, so auch das Binnen-I in Hauptwörtern, wie Ministerpräsident“In“. Aber in Bayern braucht man das ohnehin nicht.

Die geschlechterumfassende Wortwahl wie „Wahlvolk“ dagegen ist weiterhin zulässig, ebenso wie männliche und weibliche Formen von Substantiven wie Student oder Studentin. Wer weder das eine noch das andere ist, der muss sich in Gemeinschaftsbegriffen, wie „Studentenschaft“ oder „Burschenschaft“ wiederfinden. Ach, das geht ja auch nicht, ist ja nur für Männchen.

Ach so, nur im behördlichen Schriftverkehr gilt das Verbot. Na dann. Davon betroffen sind aber auch Schulen und Universitäten. Die „Lehrerschaft“ (um in der erlaubten, geschlechterumfassenden Wortwahl zu bleiben) wird ungefragt zur Rechtschreibpolizei. Bleibt abzuwarten, wie unabhängig es in den Köpfen der „Schulfamilie“ zugeht. Nachdem es nur den Schriftverkehr betrifft, gilt die Regelung für das gesprochene Wort also nicht? Das Referat im Unterricht kann also mit mehrgeschlechtlichem Ausdruck vorgetragen werden, für die Handouts gilt dann aber das Verbot? Da wird sich der „Lehrkörper“ aber freuen.

Zugegeben, das Lesen mehrgeschlechtlicher Sprache ist noch ungewohnt. Der Nutzen? Kann sehr wohl hoch sein. Es geht um sprachliches Bewusstsein dafür, dass allein Sprache schon ausgrenzen, diskriminieren kann. Augenfällige Schriftzeichen waren eine naheliegende Wahl, um die Sensibilität für Sprachwirkung zu erhöhen. Wie ein Zebrastreifen, den man einfach nicht übersehen kann. Und sogar dort braucht es Schulweghelfer, um die zu Schützenden vor den Ignoranten (Ignorant*innen, IgnorantInnen, Ignorant:innen?) zu bewahren.

Im privaten Bereich hingegen bleibt in Bayern Gendern (noch) erlaubt. Das klingt ein wenig wie eine Seuchen-Schutz-Maßnahme. Im privaten Bereich darf man wohl Respekt für Identitätsfragen äußern, da ist die Ansteckungsgefahr – pardon Aneckungsgefahr – gering? Im öffentlichen Bereich bitte nicht, das könnte zum Nachdenken führen.
„Binär ist zu schwer“, geht es darum? Wenn es nur lange genug totgeschwiegen wird, verschwindet es von selbst? Das ist wohl bewusst so gewollt. Nebenwirkungen und Risiken des operativen Eingriffs in die deutsche Sprache hat man ganz offensichtlich in Kauf genommen. Leichte oder verständliche Sprache ja, aber ad absurdum führt es, wenn eine angeblich beabsichtigte Spracherleichterung ausgrenzt. Da ist „man“ dann einfach sprachlos.

Stefanie Bürgers