Von Sevda Cakir

Die doppelbegabte Künstlerin, Bildhauerin und Dichterin hat in München einige Spuren hinterlassen. In der Kaulbachstraße 62a in Schwabing hat sie drei Jahre lang gewohnt, eine Gedenktafel erinnert daran. Auf dieser wird erwähnt, dass sie den Literaturpreis der Stadt München bekommen hat, richtigerweise 1932 statt 1931, ein Fehlerteufel hat sich eingeschlichen. Als erste Frau bekam sie diesen Preis für ihr herausragendes Gesamtwerk.

Zunächst wollte Ruth Schaumann Modezeichnerin werden. Die in Elsass aufgewachsene junge Frau kam 1917 nach München, und blieb. Sie bewarb sich auf der Kunstgewerbeschule. Im darauffolgenden Jahr erfolgte die Aufnahme in die Bildhauerklasse von Joseph Wackerle. 1921 wurde sie mit ihrer Plastik „Verkündigung“ zur Meisterschülerin ernannt. Ihre vorwiegend sakrale Kunst und ihre Schriften berührten und verärgerten die Öffentlichkeit, je nachdem, nach welchen Interessen oder Machtverhältnissen geurteilt wurde.

In „Amei. Eine Kindheit“(1932), einem stark autobiographisch geprägten Roman, gibt es ein Kapitel, in dem ein jüdischer Junge vorkommt. Die Begegnung der kindlichen Protagonistin mit „Ismael“ wollten die Nationalsozialisten aus der Neuauflage entfernen lassen, was die Autorin einfach ablehnte. Damit war ein Erscheinen in Deutschland nicht mehr möglich. Auch Ruth Schaumanns Mann Friedrich Fuchs (1890-1948) zeigte eine ablehnende Haltung gegenüber den Faschisten und wurde bei der Zeitschrift „Hochland“ entlassen. Das Paar hatte sich bei einem Interview für das katholische Blatt kennengelernt, geheiratet und eine Familie gegründet.

Ab 1935 galt Ruth Schaumanns bildnerisches Schaffen als entartet. Als Schriftstellerin jedoch konnte sie mit ihren Publikationen für den Lebensunterhalt ihrer Familie sorgen, obwohl ihre christliche Weltanschauung im Gegensatz zum Nationalsozialismus stand. Kurz vor ihrer Hochzeit 1924 war sie vom Judentum zum Katholizismus konvertiert.

Erst nach Kriegsende widmete sich Ruth Schaumann wieder ihrer Kunst, fertigte Altarbilder, Skulpturen, Kreuzwege, Kirchenfenster und schrieb Gedichte, die in bedeutende Anthologien aufgenommen wurden. Laut einer literaturwissenschaftlichen Studie aus dem Jahr 2008 zählt sie zu den Künstlerinnen, die in Vergessenheit geraten sind (Rosa Marta Gómez Pato: „Schreiben als Zeuge zuckender schwieriger Jahrzehnte“).

Einer ihrer Skulpturen kann man z. B. im Westfriedhof begegnen: einem Bettelbrunnen, gleich neben ihrer Ruhestätte, wo sie mit ihrem Mann begraben liegt. Ein weiteres Werk, der „Petersbrunnen“, befindet sich in Laim, Höhe Stürzenstraße 14. Wenige Kilometer entfernt, in der Renatastraße, lebte sie, nach dem Tod ihres Mannes 1948, als alleinerziehende und – seit dem 6. Lebensjahr – gehörlose Mutter mit den fünf gemeinsamen Kindern.

Bisher in der Reihe erschienen: Gedenktafel für Franziska zu Reventlow an der Leopoldstraße 41, für B. Traven an der
Clemensstraße 84, für Gottfried Keller an der Neuhauser Straße 35, für Annette Kolb in der Händelstraße 1, für Schalom Ben-Chorin an der Zweibrückenstraße 8, für Carla-Maria Heim am Johannisplatz 10, für Heinrich Heine in der Hackenstraße 7 und für Jella Lepmann am Eingang zum Schloss Blutenburg.

Mehr über Gedenktafeln finden Sie hier:
Andrea Kästle: München leuchtete nicht für jeden – Was Gedenktafeln der Stadt verschweigen
Paperback, 232 Seiten, Allitera Verlag, München 2024
19,90 Euro