Thomas Mann und die Politik – eine Ausstellung zur aktuellen Demokratie-Debatte im Münchner Literaturhaus.

Von Katrina Behrend Lesch

1938 konstatierte Thomas Mann, „(d)ass Demokratie heute kein gesichertes Gut, dass sie angefeindet, von innen und außen schwer bedroht, dass sie wieder zum Problem geworden ist.“ Heute haben seine Worte bestürzende Realität gewonnen, nach 75 Jahren Frieden und Freiheit, in einer Gesellschaft, in der Kräfte erneut an unseren demokratischen Grundwerten rütteln wollen. Diese Debatte um die Demokratie der Gegenwart hat das Literaturhaus aufgegriffen und sie am Beispiel Thomas Manns und seiner durchaus verschlungenen Entwicklung zu einem politischen Menschen in einer trefflichen Ausstellung veranschaulicht. Die Idee dazu kam der Leiterin Tanja Graf nach der Lektüre des jüngsten Werks „Das Weiße Haus des Exils“ von Frido Mann. Der heute in München lebende Enkel Thomas Manns erinnert sich darin an das kalifornische Haus seines Großvaters, das von der Bundesrepublik gekauft und 2018 als transatlantische Begegnungsstätte eröffnet wurde. In dem Buch (übrigens auch in einem Film, der in der Ausstellung gezeigt wird) wandert Frido Mann von Zimmer zu Zimmer, beschreibt die Zeit, die er dort als Kind verbracht hat, und verschränkt seine Erinnerungen mit den damaligen Ereignissen und den Reaktionen seiner Familie darauf, sie gleichzeitig in Beziehung zur heutigen Demokratie-Debatte setzend.

Analog zu dieser Herangehensweise, Persönliches mit Zeitgeschichtlichem zu verbinden, verortet das Team um Tanja Graf Thomas Manns politischen Werdegang in einem stilisierten, nach oben hin offenen Nachbau seines Hauses in Pacific Palisades mit der Fassade in Originalhöhe, dem Arbeitszimmer, dem Living Room und der Terrasse. Es ist ein fragiles und doch sehr standfestes Gebilde, denn von dort aus, im amerikanischen Exil, engagierte sich der weltberühmte Dichter im Kampf gegen Hitlerdeutschland und für die Demokratie. Mit diesen Räumen wird ein Innen und Außen definiert, Thomas Manns lebenslanges Hadern zwischen dem Wunsch, sich in das Handwerk des Schreibens zurückzuziehen, und der Verantwortung, sich öffentlich politisch äußern zu müssen. So symbolisiert das Arbeitszimmer mit seinen alten Möbeln die Privatheit und den Geist des Großbürgertums, aus dem Thomas Mann stammt, doch durchs Fenster starren uns Ruinen an, den Einsturz dokumentierend. Unter Begriffen wie Herkunft, Zeitgeist, Bekenntnis, Handeln werden die Entwicklung des kaisertreuen Lübecker Kaufmannssohns zum wortmächtigen Fürsprecher der Demokratie gezeigt, sein gewundener Weg von der Ablehnung der Weimarer Republik (die sich auch im Streit mit dem Bruder Heinrich manifestierte) zum Bekenntnis dazu, von der politischen Enthaltsamkeit im Schweizer Exil (um seinen literarischen Erfolg in Deutschland nicht zu gefährden) bis schließlich, auf Drängen der Kinder Erika und Klaus, zur deutlichen Absage gegen das Naziregime.

Im zweiten Teil der Ausstellung wird das Engagement und das Eintreten für die Demokratie in die heutige Zeit übertragen. Man geht aus dem privaten Bereich des Arbeitszimmers in den freien luftigen Raum der Terrasse, sieht Palmen und die üppige Vegetation eines südkalifornischen Gartens, weitet Augen und Ohren, konzentriert Gefühl und Verstand auf die Menschen, die sich heute zu einem demokratischen Staatswesen bekennen, die „ganz normalen“ Bürgerinnen und Bürger, die Mut zeigen und ihre Stimme erheben. Was macht einen politischen Menschen aus? Wie wird man zum Demokraten? Von vielen Monitoren blicken und sprechen uns die Repräsentanten dieses Aufbegehrens gegen selbstherrliches Vorgehen von Staats wegen an, das Knabengesicht von Edward Snowden, die zornige Miene von Greta Thunberg, die uns ihr „How dare you“ entgegenschmettert, Chelsea Manning im Interview mit Fatima Manji, Saša Stanišić über seinen Roman „Herkunft“ redend, Willy Brandt auf Knien vor dem Ehrenmal für die Toten des Warschauer Ghettos, um nur ein paar Beispiele von vielen zu nennen. Beispiele jedoch, die zeigen, dass nur in einer Demokratie solch Handeln möglich ist.

Dass Thomas Mann zur überall ge-
hörten Stimme der Anti-Nazi-Bewegung wurde, ist auch dem schlauen Marketing-Plan seines amerikanischen Verlegers Alfred A. Knopf zu verdanken. Er machte aus dem schwierigen, zweifelnden Autor einen Medienstar, führte ihn auf zahlreichen Vortragsreisen durch ganz Amerika und gab ihm eine neue Rolle, die weit über seinen literarischen Bekanntheitsgrad hinausreichte. Seine berühmten BBC-Radioansprachen an „Deutsche Hörer“, in denen er mit zum Teil drastischen Worten gegen das Naziregime anging, lassen sein unbedingtes Bekenntnis zu demokratischem Leben und Handeln spüren. In Ton- und Filmdokumenten kann man dem Allem nachgehen, beispielsweise seiner Ankunft 1938 im Hafen von New York, wo er in einer kurzen Rede jene Worte sagte, die der Ausstellung ihren Namen geben: „Democracy will win!“ Es ist erschreckend und verblüffend, wieviel Aktualität seine Worte wieder haben. In einem Interview nahm er Donald Trumps Slogan vorweg, ihm allerdings einen allumfassenden Sinn gebend: „Not America First but Democracy First and Human Dignity First is the slogan which will really lead America to first place in the world …“

„Democracy will win!“ Ausstellung im Literaturhaus, Salvatorplatz 1.
Info: www.literaturhaus-muenchen.de

Noch bis voraussichtl. 4. Oktober 2020
Täglich 11:00 – 18:00 Uhr. 7/5 €.