Ein Buchladen mit Historie

Die Autorenbuchhandlung und ihr Stammkunde Albert Ostermaier

Der Blick geht nach oben: da hängt sie, die berühmte Lampe, die Leuchte, die Inspirationsquelle. Geschaffen hat sie der international renommierte Lichtkünstler Ingo Maurer. An ihrem filigranen Geäst, bestückt mit viel Watt und Bücher beleuchtend, hängen pergament-artige Zettel: ein Gedicht von Friedrich Hölderlin, Dankesschreiben an und gute Wünsche für die Autorenbuchhandlung. „Hier sein heißt lebendig bleiben“, hat Friedrich Ani auf einen Zettel gekritzelt. „Das Ziel ist wo wir bereits sind“, brachte Michael Lentz zu Papier. Und Albert Ostermaier schmückte sein Blatt mit   „Mississippi“. Dieses Gedicht hat der Lyriker, Dramatiker und Romancier Ostermaier der Autorenbuchhandlung gewidmet. „Ich bin seit dem Ende der Achtziger hier Kunde und saß so lange dort, dass ein Teil meines Rückgrats ein Buchrücken dieser einzigartigen Buchhandlung ist, deren ehemalige Leiterin Hilde Schiweck für mich die wunderbarste Cicerone in der Welt der Literatur war“.

Hilde Schiweck – ja, das ist Geschichte, wie überhaupt die Autorenbuchhandlung in der Wilhelmstraße 41 auf eine stolze Historie zurückblicken kann. 1973 wird der Buchladen gegründet, von Schriftstellern wie Martin Gregor-Dellin, Michael Krüger, Paul Wühr, Günther Herburger oder Tankred Dorst. 20 000 DM bringen zwölf Gesellschafter auf und schaffen die erste genossenschaftlich organisierte Autorenbuchhandlung. Der Eintrittsscheck von 1000 DM ist für den Schriftsteller die Garantie, dass seine Werke hier gelesen und gekauft werden können. „Dort stehen sie, die Bücher unserer Autoren“, sagt Buchhändlerin Anne Richter und zeigt auf die prall gefüllten Regale über dem roten Sofa.

Das in die Tage gekommene Möbelstück steht im hinteren Eck, hat Ostermaiers Rückgrat vielleicht das eine oder andere Mal entlastet und lädt zum bequemen Schmökern ein. Denn fündig wird der/die LeserIn in der Autorenbuchhandlung allemal – dafür sorgt ein feines, erlesenes Sortiment. Gleich am Eingang der Buchhandlung sind Neuerscheinungen platziert, auf einer riesigen Fläche. Inmitten der Novitäten liegt auch „Lenz im Libanon“, Ostermaiers jüngster Roman, den der 47Jährige nach einem Besuch der dortigen Lager mit Hunderttausenden Flüchtlingen aus Syrien geschrieben hat. Flüchtlinge – ein brennendes Thema, das der Schriftsteller als Kurator beim „forum:autoren“ in den Mittelpunkt beim Münchner Literaturfest stellt.

Wen er für November eingeladen hat, verrät Ostermeier noch nicht. „Ich kann jetzt nur sagen, ich bin mehr als glücklich und auch stolz, wer da alles kommen wird und wie überwältigend die Resonanz auf die Einladungen war und die Bereitschaft, gerade für dieses Thema Haltung und Gesicht und Herz zu zeigen“. Ostermaier hat dem traditionellen „forum:autoren“ den Titel „front:text“ gegeben und spielt damit auf die Agentur Frontex an, die im Mittelmeer vor illegaler Einwanderung „schützen“ soll. Nach Gegenstrategien gefragt, meint der Autor kurz und bündig: „Jeder kann etwas tun. Das fängt im Kopf an. Bei der Sprache. In München gibt es hervorragendes Engagement für Flüchtlinge, da kann jeder mitmachen“.

Ostermaier ist in München eine Institution. Seit Jahrzehnten lebt und arbeitet er in der Landeshauptstadt. Ende der 80er Jahre schreibt er erste Gedichte, sein 1995 im Bayerischen Staatsschauspiel uraufgeführte Stück „Zwischen zwei Feuern. Tollertopographie“ eröffnet Ostermaiers Kariere als Theaterautor. „Ende Juli kommt mein Stück ‚Gemetzel‘ zur Eröffnung der Nibelungenfestspiele heraus, danach ein Stück über Serge Gainsbourgh, ‚Moi non plus’, eine Produktion der Ruhrfestspiele“, sagt der Allrounder. Und wann gibt es wieder ein Stück in München? „Ich hoffe spätestens in der übernächsten Spielzeit“.

Derweil müssen die Münchner mit Prosa und Lyrik von Ostermaier vorlieb nehmen – so etwa mit seinem Band „Autokino“, in dem auch das an der Leuchte der Autorenbuchhandlung hängende Gedicht „Mississippi“ abgedruckt ist. Lyrik hat im Buchladen in der Wilhelmstraße Gewicht, auch wenn sie neuerdings im hinteren Teil der Buchhandlung logiert. Ganz vorn kann sich dagegen die Kinder- und Jugendliteratur platzieren. „Wir wollen auch ein jüngeres Publikum, wir brauchen Nachwuchs“, sagt Geschäftsführerin Karin Staisch. Die Autorenbuchhandlung hat deshalb in diesem Frühjahr zu Lesungen für Jugendliche eingeladen bzw. plant weitere im Herbst, auch für Erwachsene.

Frühjahr, Sommer, Herbst – Albert Ostermaier scheint immer unter Hochdruck. Der Schriftsteller, der samstags auch noch auf dem Fußballplatz trainiert (schließlich ist er Torwart in der Autorennationalmannschaft), bekennt auf die Frage: Wie schaffen Sie das alles? „Zu Schreiben ist ein Geschenk, dafür bin ich jeden Tag dankbar und ich weiß, wie fragil es ist. Und wenn man die Chance hat, mit Literatur und Festivals etwas zu bewegen, und sei es nur einen einzelnen Menschen, und wenn wir mit dem forum:autoren die Geschichten erzählen können, die erzählt werden müssen, da ist es alle Erschöpfung wert und am Ende ein Glück“.

Ina Kuegler

In unserer Serie „Meine Lieblingsbuchhandlung“ stellten wir bislang „Buch & Bohne“ mit Christoph Poschenrieder vor, die Buchhandlung Lehmkuhl mit Hans Magnus Enzensberger, „Buch in der Au“ mit Su Turhan und Literatur Moths mit Thomas Jonigk und Christof Loy.