Das Salonfestival holt Literaten, Musiker und kluge Köpfe zurück in den privaten Raum.

Von Katrina Behrend Lesch

Das Hotel Bader in Parsdorf, inmitten eines Industriegebietes, nicht gerade ein Ort, wo man Kultur sucht. Doch alles ist möglich. Die Besitzerin Monika Hobmeier meidet die Konfrontation mit der Hässlichkeit ringsum nicht, Understatement mit skandinavischem Design, Ausstellungen und nun zum zweiten Mal Gastgeberin des Salonfestivals. Zwei junge Sängerinnen treten auf, Cosma Joy und lilly among clouds, fantasievoll die Namen, eigenwüchsig der musikalische Vortrag. Danach Häppchen auf der Terrasse, die Scheu miteinander zu sprechen überwunden. Das Konzept „salonfestival“ scheint aufzugehen, Menschen dafür zu begeistern, in ihren privaten oder öffentlichen Räumen Künstlern und Wissenschaftlern eine Bühne zu bieten, Gäste zum Zuhören einzuladen und so ein persönliches Umfeld für Begegnungen und Gespräche zu schaffen. 

Die ersten Salons entstanden zu Beginn des 17. Jahrhunderts in Paris, als gebildete, kluge Frauen aus der Aristokratie Dichter, Musiker, Philosophen, Gelehrte in ihre Häuser zu kultivierter Konversation einluden. Berühmt war das „chambre bleue“ der Marquise de Rambouillet, die als Begründerin der Salonkultur gilt. Dort trafen sich Menschen über alle Schranken von Klasse und Geschlecht hinweg zu regem Ideenaustausch, was dem Adel durchaus zum Bumerang geriet, denn damit wurde auch der Boden für die Französische Revolution bereitet. Eine zweite Blütezeit erfuhr die Salonidee im Deutschland des 18. Jahrhunderts. Sie inszenierte sich als Ort bürgerlicher Geselligkeit, umschwärmt waren in der Frühromantik die Salons einer Caroline Schelling, einer Rahel Varnhagen.

Ähnliches im Sinn hatte Claudia Bousset, die „Wiederbeleberin“ der Salonkultur, wie sie sich heute etabliert. Die freiberufliche Kulturmanagerin, die 15 Jahre den KunstSalon Köln leitete, entwickelte vor vier Jahren ein neues Format, das „Salonfestival“. Was die Salons einst auszeichnete, eine gewisse Festlichkeit, das zwanglose Gespräch, die Kontaktaufnahme zwischen Experten und Laien, sollte den heute üblichen Kulturbetrieb in frische Bahnen lenken. Anlaufschwierigkeiten gab es nicht, denn Bousset ist gut vernetzt und konnte für ihre Idee Boden in mittlerweile vierzehn Städten gewinnen, von Köln ausgehend über Essen, Hamburg, Berlin, Frankfurt, um nur einige zu nennen. München als ein-ziger Ort im süddeutschen Raum genießt den Ruf, ein schwieriges Pflaster zu sein. Zu viele Festivals, die sich gegenseitig die Besucher abspenstig machen, heißt es. Immerhin können Claudia Saffer und Christiane Lohrmann vom hiesigen Team sich einer wachsenden Salongemeinde durchaus erfreuen.

„Kultureller und politischer Austausch in einem überschaubaren Kreis und in privater Atmosphäre – in Zeiten globaler und medialer Unsicherheiten sehnen sich die Menschen danach“, schreiben die Macherinnen, auch heute vorwiegend Frauen, auf ihrer Website. Großartige Worte, doch auf die Praxis herunter gedimmt heißt das: Sich einen Autor, eine Sängerin in sein Wohnzimmer zu holen, nach gehabter Darbietung mit ihm, mit ihr, den Gästen von Angesicht zu Angesicht diskutieren zu können, dem scheint ein besonderer Zauber innezuwohnen. Eine Beteiligte schwärmt: „So wie Gastgeber, Gäste und das Programm sich immer wieder neu zusammenfinden, so entsteht ein ums andere Mal eine einzigartige und nicht reproduzierbare Atmosphäre.“

Eine gut funktionierende Organisation sorgt dafür, dass es auch wirklich dazu kommt. „Die jungen Literaten, Musiker, die klugen Köpfe werden von den dafür zuständigen Expertinnen ausgewählt“, erklärt Christiane Lohrmann. „Die Teamleiterinnen vor Ort hingegen kümmern sich um die Auswahl der Gastgeber. Das muss zusammenpassen, auch das Programm muss stimmig sein. Oft sind es Freunde von Freunden, oder sie melden sich selber, weil sie an einem bestimmten Themenfeld interessiert sind und sich austauschen wollen. Dass sie dabei auch Geld in die Hand nehmen müssen sollte ihnen bewusst sein, denn sie zahlen eine Pauschale für die Gage. Was sie darüber hinaus den Gästen zu trinken und essen servieren ist ihrem Belieben überlassen.“ Die Räume sehen sich Saffer und Lohrmann vorher an, auch um ein Gefühl für das Umfeld zu bekommen und alles genau zu besprechen. Insbesondere in winzigen Dachwohnungen, wo gerade mal 20 Leute Platz fanden, konnten sie wun-derbare Salonfestivals erleben. Doch auch Unternehmen, Firmen, Hotels sind auf den Geschmack gekommen, in ihren Räumen Kultur auf Augenhöhe stattfinden zu lassen.

Private Salon-Veranstaltungen haben sich in den letzten Jahren einige etabliert. „Klang unterm Dach“ etwa existiert schon seit 20 Jahren in München. Die Gastgeber sind selber Künstler, die auftretenden Musiker werden vom Kulturreferat subventioniert, nach dem Konzert wird um Spenden gebeten. Der Kreis der Gäste ist privat, das ist beim Salonfestival anders. Die Ankündigungen werden auf der Homepage wie Theateraufführungen angezeigt, der Verkauf der Tickets wird online abgewickelt. Jeder kann sich eines kaufen, sofern ihm der Eintritt von aktuell 24 bzw. 12,50 Euro nicht zu viel ist. Dennoch sind sie schnell ausverkauft. Die Finanzierung ist damit nicht gedeckt. Zwar gibt es eine Medienpartnerschaft mit der Süddeutschen Zeitung, doch sie stellt kein Geld, sondern Öffentlichkeit zur Verfügung. So gesehen bringt das Salonfestival, das seit seinem Bestehen in 600 Salons rund 24.000 Besucher erreicht hat, neuen Schwung in die private Künstlerförderung, Von mangelndem Engagement in Deutschland lässt sich bei diesen Zahlen nicht reden.

Mehr Infos über www.salonfestival.de