Wenn Romane mit dem Wetter beginnen, kann sich die Sache etwas hinziehen. Knapp 1.600 Seiten (je nach Ausgabe) folgen der Feststellung: „Über dem Atlantik befand sich ein barometrisches Minimum“ – Beginn des Romans „Der Mann ohne Eigenschaften“, dessen dritter Band vor 75 Jahren postum erschienen ist und unvollendet blieb. Robert Edler von Musil, wie sich der Autor hätte nennen dürfen, war ein Jahr vorher gestorben. Ganz arglos schildert er einen „schönen Augusttag des Jahres 1913“, um sich dann den vermeintlich wesentlichen Themen des Lebens zuzuwenden, und natürlich hat auch der tiefsinnige Plauderer Herbert Rosendorfer 80 Jahre später noch nichts von dem heutigen Heißzeit-Ernst ahnen mögen, als er seine kleine Story von der „Erfindung des SommerWinters“ schrieb. Nur einige zu warme Winter in den 90ern wurden von dem südtiroler Münchner moniert, ansonsten ist Wetter kein literarisches Thema, noch, kann man sagen, nirgendwo. 

Doch die afrikanischen Mücken sirren bereits lüstern südlich des Alpenkamms, das West-Nil-Fieber grassierte dieses Jahr in Venetien bereits im Juli! Die anderen Erreger schwirren ebenfalls schon Schlange: Dengue, Chikungunya, Urubu: „Das Virus schafft den Sprung über die Alpen“ (SZ vom 3.8.)! Selbst seriöse Medien haben uns in der berüchtigten „Sauregurkenzeit“ eine wilde Mischung aus sinnlosen Details und hartem Klimawandel serviert: Elefanten im Zoo „berüsseln“ trauernd ihren toten Artgenossen, Hamburg; Hunderttausende von Lachsen entfliehen bei Sturm einer Meeresfarm, Chile; eindringende Auslands-Wölfe reißen auf Almen bayerische Kälber – später als Ente dementiert; Badeunfälle verdreifacht: Es fehlen 3.000 Bademeister, gleichzeitig: Bedrohliches Schwimmbadsterben! Jedes zehnte Schwimmbad seit dem Jahr 2000 wurde dicht gemacht; Zusammenhang 1: Rettung Thailändischer Höhlenkinder erheblich erschwert, weil sie nicht schwimmen können! Konnex 2: drei von ihnen und der Trainer waren staatenlos, wurden dennoch gerettet – und bekommen jetzt die thailändische Staatsangehörigkeit geschenkt (Seehofer bleibt hart!); Wälder brennen, und wir haben kein einziges Löschflugzeug. Und unsere Promi-Elite pilgert ungerührt zum Grünen Hügel, um durch Schweiß und donnernde Musik zu tiefer Erkenntnis und Tatendrang zu reifen, was wirklich dringend Not tut.

Auch ansonsten war doch der Sommer hier wie eh und je: Pünktlich am 10. August brach die ganz große Hitze zusammen, es regnete einen Tag und eine Nacht lang durch, die Münchner gerieten in plötzliche Unordnung und neun Monate später, wir werden’s ja sehen, kommen Tausende von Babys zur Welt. Wir bleiben doch cool in der Heißzeit, wir lassen uns blendend unterhalten und tun so, als wäre nichts gewesen.

WH.