Barbara Bronnen (1938–2019) hinterlässt ein umfangreiches literarisches Werk. Die Materialien dazu liegen jetzt in der Monacensia.

Von Katrina Behrend Lesch

Barbara Bronnen hat früh zu schreiben angefangen. Mit acht Jahren verfasste sie ihr erstes Gedicht und widmete es, schön gebunden, ihrem Vater, dem Schriftsteller Arnolt Bronnen. Dass er schrieb, faszinierte sie ungeheuer, und sie wollte es ihm gleichtun. „Das ist, glaube ich, was man unter ‚Künstlerblut‘ verstehen kann“ sagte sie einmal in einem Interview, „dass man es einfach mitkriegt.“ Sie wollte auch immer in sein Arbeitszimmer eindringen, was ihm offensichtlich lästig war. In ihrem Roman „Die Tochter“ lässt Barbara Bronnen ihr Alter Ego Katharina von einer Episode berichten, in der der Vater beim Zuwerfen der Tür ihre Hand einklemmt und sich um ihre Schmerzensschreie nicht kümmert. Es war also eine durchaus zwiespältige Beziehung, genauso zwiespältig wie die Person Arnolt Bronnen selbst. Dennoch, ohne ihn und seine Geschichte, wäre sie nicht, wer sie heute sei, ohne ihn würde sie nicht schreiben. Um aus dem Schatten des mächtigen Vaters zu treten, musste Barbara Bronnen sich mit ihm schreibend auseinandersetzen.

1938 in Berlin geboren, in Österreich aufgewachsen, Germanistikstudium in München, Doktorarbeit über den österreichischen Schriftsteller Fritz von Herzmanowsky-Orlando, anschließend als Journalistin und Lektorin tätig, Veröffentlichung von Anthologien, Sachbüchern, Dokumentationen, Biographien – dürre Werdegang-Daten. Barbara Bronnen nahm sozusagen einen langen Anlauf, bis sie 1980 mit ihrem ersten Roman herauskam, den sie bezeichnenderweise „Die Tochter“ nannte. In dieser sehr autobiographisch geprägten Geschichte über eine Frauenfamilie sollten Männer eigentlich „durch Abwesenheit glänzen“, aber dann nimmt der Vater doch einen breiten Raum ein. Schon 1979 war sie für den Dokumentarfilm „Auf den Spuren von A.B.“ nach Ostberlin gereist, wo sich Arnolt Bronnen dem real existierenden Sozialismus zugewendet hatte und 1959 gestorben war. Ein schwierig zu fassender Mann, der in der Weimarer Republik als expressionistischer Dichter Erfolge feierte, ab 1933 überzeugter Nationalsozialist war, sich gegen Ende des Krieges in Österreich dem kommunistischen Widerstand angeschlossen hat und 1955 in die DDR als das Gelobte Land ausgewandert ist.

In drei Romanen hat sich Barbara Bronnen an der Figur des Vaters „abgearbeitet“. Noch voller Wut in ihrem Erstling „Die Tochter“, mit mehr Verständnis – auch für dessen politischen Zickzackkurs – in „Das Monokel“, erschienen 2000, und schließlich mit wachsender Einsicht und Respekt in „Meine Väter“ von 2012, sicher ihr wichtigstes Buch. Hier geht sie Arnolt Bronnens jüdischer und damit auch ihrer eigenen Herkunft nach. Den berühmten und erfolgreichen Dramatiker A.B. habe sie nie kennengelernt, nur den einsamen, ausgesetzten, erfolglosen Menschen, und das habe sie gelehrt, dass Scheitern zum Leben gehöre. Als Schriftstellerin, die über das Leben und die Liebe ebenso schreiben konnte wie über Landschaften und Friedhöfe und die alle zwei Jahre ein Buch veröffentlichte, tönte ihr auch immer wieder harsche Kritik entgegen. Aber das hinderte sie nicht daran, ihre Arbeit weiterzuführen, eine Arbeit, die viel mit den Beziehungen zwischen den Generationen zu tun hatte und mit ihrer Sympathie für Gescheiterte, Arbeitslose, Penner.

In den letzten Jahren beschäftigte sie sich intensiv mit Liebe, Alter und Tod. Sie habe über den Anfang des Lebens geschrieben, überhaupt viel über Anfänge, jetzt sei es Zeit, sich Gedanken über das Weggehen zu machen. Die machte sich Bronnen auch hinsichtlich ihres Nachlasses, den sie schon zu Lebzeiten der Monacensia zugesprochen hatte. Das Material, berufliche und private Korrespondenz, Manuskripte, darunter das zu „Meine Väter“, Materialsammlungen, Entwürfe und Notizen zu ihren Werken und Fotos, hat sie noch selbst zusammengestellt und liebevoll beschriftet. Dass sich einige biographische Dokumente, Briefe und Fotos von Bernd Hesslein, namhafter Journalist, Publizist und Streiter für den Frieden und in den letzten zehn Jahren Bronnens „Begleiter in Gedanken, Worten und Werken“ ebenfalls darunter befinden hat mit der engen Verbindung der beiden zu tun. Bisher konnte der Nachlass noch nicht gesichtet werden und ist deswegen auch nicht einsehbar.