Felix Krull kommt ins Kino, na endlich! Thomas Manns „Bekenntnisse“ wurden zwar schon mal mit Horst Buchholz als Hochstapler und später in einer TV-Serie auf Leinwand und Bildschirm geworfen. Aber die Zeiten rufen nach neuer Version. Polit-Darsteller mit narzisstischem Rufzeichen bevölkern die Szene, wir brauchen den tiefen Blick ins Literarische, um Quelle und Folgen dieses ergötzlichen Charaktermodells scharf zu erkennen. Zumal in Bayern.

„Bayern One“, oder „Atmende Matrix“ oder auch „Impfen to go“ – freche Slogans! Man muss sich wohl im Nebenzimmer des Bayerischen Landesvaters (BLaVa) in der Staatskanzlei ein Team  von mager entlohnten Nerds vorstellen, Werbe-Artisten, denen der Chef ab und zu einen Zettel unter der Tür durchschiebt. Darauf steht ein komplizierter Begriff, z. B. „Großes neues Bayerisches Weltraumforschungsprogramm“ (2018) oder „Situativ wechselnde Corona-Maßnahmen“ (März 2021) – und flugs formulieren die Kreativen ihm den passenden Spruch für die nächste Pressekonferenz.

Dumm nur, dass die dahinter stehenden Substanzen noch schneller verfliegen als, sagen wir mal, unsere Mauersegler. Die kommen, pfeifen laut, brüten kurz, und nach drei Monaten verschwinden sie wieder gen Süden! Oder weiß der verehrte Leser noch, dass „Bayern One“ das 700 Millionen Euro schwere Weltraumprogramm des BLaVa gewesen sein sollte? Und dass er lange vor Jeff Bezos in den Weltraum wollte, den Mars umrunden, schon das Ticket gelöst – nein!

Jetzt aber kommt schwere Konkurrenz ausgerechnet aus Melanie Humls kleinem Büro. Wie, das war doch Bayerns liebe, schüchterne Gesundheitsministerin! Abgeschoben in ein Ressort, das Leben kann so bitter ungerecht sein, „Europaministerium“ (mancher erinnert sich noch an Minister[innen] wie Marion Kiechle oder an Ludwig Spänle, klick, längst gelöscht!) – Huml will, so heißt es aus ihrer Umgebung, einen „Quantensprung“ in den Beziehungen zu Prag einleiten: Der Quantensprung ist der kleine  Bruder des „Paradigmenwechsels“, und der BLaVa wird zornrot anlaufen, wenn er merkt, welche Spruch-Konkurrenz ihm da erwächst! Huml allerdings war inzwischen schon in Prag, man hat, war ja klar, nichts gespürt. Es braucht Zeit, solch Charakter muss wachsen!

Bei Krull musste ein Identitätstausch her – er verwandelte sich in einen Marquis, um ganz groß rauszukommen. Der Roman übrigens wurde bekanntlich nie fertig. Der Autor war, als er begann, ein junger Mann. Etwa 150 Seiten gelangen schnell. Es kamen Kleinigkeiten dazwischen, zwei Weltkriege und so. Und als er sich mit über 70 Jahren noch einmal dranwagte, floss es nicht mehr so flott aus der Feder. Gut 250 Seiten kamen noch, aber das Dreifache war geplant! Es blieb Fragment, aber „beendetes“, wie sein Autor erklärte. Auch er kein Kind von Bescheidenheit.

W.H.