Von Gabriele Eichl

Anfangs sprachen Herrmann und Fausthild S. nicht darüber. Darüber zu sprechen hätte bedeutet, zuzugeben, dass man beunruhigt war. Hätte als eine Art Eingeständnis einer Schuld gedeutet werden können. Und das wollten beide unbedingt vermeiden. So wie sie seit jenem Tag nie wieder seinen Namen ausgesprochen hatten. Und doch hatte Gottfried nie aufgehört, im Haus anwesend zu sein.

Gottfried, der exzentrische Dackel. Zuckersüß dreinblickend, hinterhältig schnappend. Dackel eben. Ein Charakter, der dem Tier angeboren war. Für den es nichts konnte. Und sie waren gewarnt worden. Hatten gewusst, dass jeder Hund sich erziehen lässt. Der eine mehr, der andere weniger. Nur eben ein Dackel nicht. Ein Dackel wie der, den sie vor zwei Wochen auf so grausame Weise aus ihrem Leben geworfen hatten.

Fausthild begann als erste zu sprechen. Zaghaft. Vorsichtig. Fragte wie beiläufig, ob er auch schon von „ihm“ geträumt habe. Wobei ihr das „ihm“ kaum über die Lippen wollte. Und war dann umso irritierter, als Herrmann nach kurzem Zögern zugab, keine Nacht mehr ohne denselben Traum zu überstehen. Beider Träume erwiesen sich als vollkommen identisch: Gottfried humpelt nach der Tat mit gebrochenen Beinen über die Autobahn, winselt hysterisch und wird dann von einem Lastwagen zermalmt. Im Traum dauert das Krachen der Knochen minutenlang, es scheint kein Ende zu nehmen. Und dann wachen beide auf, weil Gottfried wieder einmal mitten ins Wohnzimmer gepinkelt hat …

Ein halbes Jahr und enorme Tierheimspenden später müssen Herrmann und Fausthild erkennen, dass sie mit dem toten Gottfried werden leben müssen. Die Träume haben inzwischen bizarre Formen angenommen. Einmal wird Fausthilds Kopf vom Lkw-Reifen zerquetscht, während Gottfried mit aufgebrochenem Leib danebensteht und winkt. Einmal trennt der Lkw Herrmanns Unterleib ab, am Steuer des Lkws: Gottfried.

Die Untersuchungen wurden nach einem halben Jahr ergebnislos eingestellt. Das Ehepaar S. – gutsituiert, gut beleumundet – hatte offenbar gemeinschaftlichen Selbstmord begangen. Fausthild S. war dem Anschein nach bei hohem Tempo ohne Fremdeinwirkung auf der Autobahn aus dem Autofenster gesprungen, während Herrmann S. den Wagen kurz darauf aus 50 Meter Höhe in die Amper gesteuert hatte.