Von Markus Czeslik

Wenn man mit Lea Rieck telefoniert, darf man sich immer die Frage stellen, wo man sie wohl gerade antrifft. Und vielleicht auch überrascht sein, dass man sie überhaupt erreicht. Lea Rieck ist Autorin und Keynote Speakerin, aber vor allem eine absolute Weltenbummlerin – besser gesagt eine Welten- oder Grenzenerkunderin.

„Das war für mich ein wichtiger Antrieb“, sagt die gebürtige Münchnerin, „mit eigenen Augen zu sehen, wie es sich anfühlt, Grenzen zu überschreiten, und wie sich jenseits der Grenzen Menschen, Kulturen und Sprachen verändern oder das Essen, die Zeit, die Natur – und dabei frei sein von dem, was wir sonst als unsere täglichen Verpflichtungen sehen.“

Zur täglichen Verpflichtung wurden 2016 ganz andere Dinge, als sie von München aus mit dem Motorrad zu einer beeindruckenden Solo-Weltreise aufbrach und erst nach 516 Tagen und rund 90.000 Kilometern quer durch 50 Länder zurückkehrte.

„Sag dem Abenteuer, ich komme“ heißt ihr sehr persönlicher Reisebericht und das klingt sowohl nach einem selbstbewussten „Ja“ zum Leben als auch nach einem Grundvertrauen, dass sich die Dinge zum Guten wenden, egal was auf ihren Reisen passieren mag. „Das Schwierigste war, die Entscheidung zu treffen, aufzubrechen“, erinnert sie sich. Auf der Reise selbst fühlte sie sich dann fast wie auf Autopilot. Wo immer sie war oder kurzzeitig feststeckte, hat sie am Ende doch Wege und Lösungen gefunden bzw. finden müssen. Ihr Blick ging dabei nie zurück, sondern stets neugierig nach vorn. „Das Interessante ist dabei: Auch wenn es keine richtige oder falsche Entscheidung gibt, ob ich nun links oder rechts abbiege – am Ende sind es doch genau diese Entscheidungen und daraus folgenden Erlebnisse oder Begegnungen, die einen prägen.“

Selbstverständlich wäre sie auch schon längst wieder unterwegs – diesmal um mit dem Motorrad den afrikanischen Kontinent zu umrunden, von dem sie bisher „nur“ die Westsahara und Marokko erkunden konnte. Aber Corona machte ihr einen Strich durch die Rechnung und zwang sie zu einer Pause, nach der sich nun die Reisebedingungen in der Zielregion verschlechtert haben. Doch wusste sie die Pause kreativ zu nutzen. Lea Rieck verlässt sich nicht nur auf das Medium Buch, um sich mitzuteilen. Sie begann, über einen eigenen YouTube-Kanal Impressionen von ihren Reisen zu teilen – in sehr aufwendig gedrehten, faszinierenden Einstellungen, die eine junge, mutige Frau vor imposanten Kulissen zeigen, eine Abenteurerin, die das Unterwegssein genauso liebt wie das Ankommen und sich dabei vor allem von ihrer Intuition leiten lässt.

Die Arbeit an dem Buch, das sie 2019 erstmals in der Monacensia vorstellte, hat ihr die Möglichkeit gegeben, nach innen zu schauen, die vielen äußeren Eindrücke zu verarbeiten und darüber zu reflektieren, was diese Reise mit ihr gemacht hat. Und wie es ihr letztlich gelungen ist, die sichere Komfortzone zu verlassen und ins Ungewisse zu starten. Sich fallen zu lassen und fest daran zu glauben, dass man immer die Kraft hat, wieder aufzustehen – oder wenn sie fehlt, Unterstützung anzunehmen. So erlebte sie auf ihren Reisen immer wieder große Hilfsbereitschaft, ein Netz, das sie auffing, eine Person, die ihr die Hand reichte. Sie erfuhr selbst, was jenseits aller Grenzen und unabhängig von Kulturen das zutiefst Menschliche ausmacht: da zu sein, wenn jemand in Not ist, Freude daran zu haben, anderen Freude zu bereiten. Und das gerade in Gesellschaften, die im Vergleich zu unserer nur wenig besitzen.

„Wie sich die Bedeutung doch wandeln kann, wenn man den Dingen genug Raum und Zeit lässt, das zu werden, was sie sein können“, schreibt sie. Und mit Blick auf sich selbst: „Ein Ende, das ist eben immer auch ein neuer Anfang, die Chance, etwas zu verändern, etwas zu werden, das einem mehr entspricht.“

Lea Rieck war bis zum Zeitpunkt ihrer ersten Weltreise bei einem Verlag angestellt. Nach ihrer Rückkehr wählt sie die Selbstständigkeit, entschließt sich, ihre Reiseerlebnisse niederzuschreiben und Vorträge darüber zu halten, wie man seinem Leben an den wenigen entscheidenden Kreuzungen eine ganz neue Richtung geben kann. „Wenn nicht jetzt, an dieser Wegmarke des Lebens, wann dann?“ war ihr Motto, als sie sich zum Aufbruch entschied und dazu, ihrer Leidenschaft zu folgen. Sie hält ein Plädoyer dafür, entschlossen seine Träume zu verwirklichen, mutig und bereit zu sein, Dinge loszulassen, die einem nicht guttun oder einen in Routinen gefangen halten.

Für ihre Träume hat Lea Rieck einen weiten Weg zurückgelegt. Nicht mit dem Ziel, eine andere Person zu werden, das Glück zu suchen oder zu ihrem wahren Selbst zu finden. „Nein, ich bin noch dieselbe“, stellt sie zufrieden fest. „Aber mein Blick hat sich geändert.“ Sehr reich beschenkt mit neuen Perspektiven und Erfahrungen kehrt sie gern zurück in ihre Heimat – dankbar dafür, einen Ort zu haben, den sie Zuhause nennen darf, wo vieles doch ähnlich bleibt – und auch im Wissen, dass noch Platz ist im Gepäck für neue Erlebnisse in der Fremde, für Orte und Menschen, zu denen ihre Intuition sie noch führen wird.

 

In unserer Serie „Jung und schreibend“, in der wir junge Münchner Autor*innen vorstellen, porträtierten wir bisher
Lisa Jeschke, Leander Steinkopf, Daniel Bayerstorfer,
Katharina Adler, Benedikt Feiten, Caitlin van der Maas,
Samuel Fischer-Glaser, Vladimir Kholodkov, Annika Domainko,
Jan Geiger, Ines Frieda Försterling, Rebecca Faber, Natascha Berglehner, Tristan Marquardt, Martin Kordić, Moritz
Hürtgen, Bernhard Heckler, Joana Osman, Mira Mann, Slata Roschal und Krisha Kops.