Eine Rekonstruktion von Ulrike Claudia Hofmann

Von Stefanie Bürgers

Die blutüberströmte Leiche der 47-jährigen Sonja Bletschacher wurde am 12. Dezember 1951 in deren Wohnung in der Villa Adlon in Starnberg gefunden. Unzählige Messerstiche und eine mutmaßliche Schussverletzung haben zum Tod geführt. Da die Tür unbeschädigt war, musste das Opfer geöffnet haben. Die Vermutung, dass eine Beziehungstat vorläge, war also Ausgangspunkt der umfangreichen Ermittlungen. Auch die prominente und streitsüchtige Vermieterin Ottilie Adlon, die erste Ehefrau des Berliner Hoteliers Louis Adlon und deren verhaltensauffällige Tochter Elisabeth gerieten in den Fokus der Untersuchungen, die aber ergebnislos blieben. Die Ermittlungen zogen sich, weitere Personen wurden vernommen. Das Ergebnis der kriminaltechnischen Untersuchungen ließ Monate auf sich warten: die eingesendete Haarprobe biete nicht ausreichend Material, so hieß es.

Anfang 1952 rief gar die Münchner Abendzeitung unter dem Motto „Der Leser als Detektiv“ zur Mithilfe auf. 100 D-Mark waren ausgelobt für eine Theorie des Tathergangs, „die dem tatsächlichen Geschehen am nächsten kommen dürfte“. Jedoch lieferten die rund hundert Einsendungen der AZ-Leser*innen, die von einer hochkarätigen Jury gesichtet und ohne Veröffentlichung direkt der Kriminalpolizei übergeben wurden, kaum Anhaltspunkte für weitere Schritte. Der Fall wurde zum „Cold Case“.

Die ermordete Wehrmachts-Offizierswitwe Sonja Bletschacher war eine attraktive und geheimnisvolle Frau, die nichts von sich preisgab. Sie hatte Beziehungen mit Männern einfacher Herkunft, verkehrte aber auch in der gehobenen Gesellschaft. So war sie
u. a. mit jenem Dr. Otto Praun liiert, der 1962 mutmaßlich von Vera Brühne und Johann Ferbach ermordet wurde. Ein Fall, der damals Schlagzeilen machte. Kannte Vera Brühne Sonjas Mörder?

Das Rätselhafte reizte die Autorin Ulrike C. Hofmann, eine promovierte Historikerin, die als Archivarin im Staatsarchiv München tätig ist. „Der Fall hat mich gefunden“, so Hofmann, „ich wurde neugierig auf die vielen Facetten des Mordopfers und so nutzte ich in meiner Freizeit jede Minute für die Recherche“.

Herausgekommen ist eine spannende Dokumentation der damaligen Ermittlungstätigkeit, die im Vergleich zu den aus TV-Krimis bekannten Methoden archaisch anmutet. Die Diskrepanz zur heutigen Aufklärungsarbeit sei ihr auch aufgefallen, so Hofmann. Doch der zur Lesung in Starnberg eingeladene Erste Kriminalhauptkommissar Ludwig Waldinger, einer der derzeitigen Sprecher des Landeskriminalamtes, habe erklärt, dass die in den Akten dokumentierte Vorgehensweise dem damaligen Stand entsprochen habe.

Hofmann forschte weiter und entwickelte zu guter Letzt selbst eine Theorie zum möglichen Tathergang. Sie griff die Annahme auf, dass das Mordopfer zwar nur über sehr begrenzte Mittel, aber wohl über belastende Informationen aus der Nazi-Zeit verfügte.

Ein packender Recherche-Thriller.

Ulrike C. Hofmann:
True Crime
Starnberger See.
340 Seiten, kartoniert
Allitera Verlag
München 2023
18 Euro

Lesungen: 20. Oktober 2023
Kulturetage Messestadt Riem,
9. November 2023
Juristische Bibliothek im Rathaus