Sie müssten sich auf den Kopf stellen, um das lesen zu können. So wie der Österreicher Christian Felber. Literat – Sozialökonom – Reformer. Und Tanzakrobat. Er steht gerne auf dem Kopf. Man habe dann einen anderen Blick auf die Welt, sagt er. Zum Beispiel auf unsere westliche Wirtschaftsordnung. Anfang der Nullerjahre hat er den Begriff der „Gemeinwohlökonomie“ geprägt. Art. 151 der Bayerischen Verfassung: „Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl“. Einfach mal Gesetze beim Wort nehmen. Allerdings müsste dazu die Wirtschaft vom Kopf auf die Beine gestellt werden, denn die ist seit langem ganz verkehrt. Oder: Kopfstand machen wie Felber, um es richtig herum betrachten zu können.

Und damit wären wir wieder beim Thema. Gehen Sie bitte zu Ihrem Bücherregal, nehmen Sie ein x-beliebiges (deutschsprachiges) Buch heraus und legen es vor sich auf den Tisch. Jetzt gehen Sie bitte noch einmal zum Regal und suchen einen englischen Band aus einem amerikanischen, einem englischen oder meinetwegen einem skandinavischen Verlag und legen ihn neben das andere Buch. Drehen Sie bitte beide Bücher um 90 Grad gegen den Uhrzeigersinn, damit Sie beider Rücken sehen können. Und was sehen Sie? Die Rückenzeile der englischen Ausgabe können Sie lesen, die der deutschen eben nicht. Warum? Weil sie auf dem Kopf steht!

Eine Unsitte, die sich bei deutschen Verlagen eingeschlichen hat, seit Schutzumschläge um gebundene Bücher geschlagen werden. Also mindestens seit dem 19. Jahrhundert, als industrielle Verlagseinbände den vorherigen Handeinband verdrängten. Der sollte ja nur den Buchblock schützen. Speziell der Bahnhofsbuchhandel, der Ende der 1840er Jahre aufkam, nutzte Schutzumschläge als Werbemittel, um eiligen Reisenden mit knalligen Farben und gesperrten Lettern ihre Ware entgegenzuschreien. Und da in Deutschland eh alles nach oben strebt – Finanzen, Wirtschaft, Gesellschaft und frisierte Zahlen – müssen vertikallaufende Zeilen eben auch von unten nach oben laufen. Wie sähe das denn aus – stürzende Zeilen? Wie Börsenkurse aus dem Jahr 2000 oder 2008 (oder wann die nächste Sause kommt – bei unserer kopfstehenden Wirtschaft)! Dass man die Rückenzeilen nicht mehr lesen kann, ist dabei ja sch…egal. Sie können sich ja auf den Kopf stellen – wie Christian Felber.

Michael Berwanger