Vor Schiller den Hut ziehen
Das Schiller-Denkmal am Maximiliansplatz
Von Christine Erfurth
Friedrich von Schiller (1759–1805) hat Bayern weder bereist, noch persönlich am geistigen Leben in München teilgenommen. Eine tiefe kulturelle Kluft trennte den katholischen Süden vom protestantischen Norden. Die großen Dichterfürsten, Schiller und Goethe, verspotteten in ihren „Xenien“ (1797) das Kurfürstentum als Land der irdischen Freuden, das keinen Sinn für das geistig Schöne habe: „Donau in B[ayern]. Bacchus, der lustige, führt mich und Komus, der fette, durch reiche Triften, aber verschämt bleibt die Charis zurück.“ Das Interesse der Bayern und insbesondere ihrer Könige Ludwig I. und Ludwig II. an Schiller hingegen war groß.
Bereits zu Schillers Lebzeiten ließ man sich, wenn auch zögernd, in München auf den berühmten Dichter ein. 1784, zwei Jahre nach der legendären Uraufführung der „Räuber“ in Mannheim, wurde das Stück im Faberbräu in der Sendlinger Straße von der Vinzenzischen Gesellschaft aufgeführt. Es folgten „Kabale und Liebe“ und „Don Karlos“. Selbst das Hoftheater zeigte „Die Verschwörung des Fiesko zu Genua“.
Mit der Thronbesteigung Ludwigs I. am 13. Oktober 1825 wurde die deutsche Klassik auch für Bayern tonangebend. Der Monarch, im Jahre von Schillers Tod gerade einmal 18-jährig, verfasste mehrere Gedichte auf den von ihm hochverehrten Dichter. Im Anschluss an eine Reise nach Weimar, wo er das Schillerhaus besuchte und sich von Goethe Schillers Schädel zeigen ließ, schrieb er: „Aber dich, mein Schiller, Edler, Reiner, /
Hätt’ dich, Herzlichen, an’s Herz gedrückt; / Groß und gut dabey, wie du, war keiner, / O! wie hätte es mich hoch beglückt, / Selig meine Seele es entzückt. / Nicht berühren durft’ ich deine Lippe, / Knüpfen nicht der Freundschaft ew’gen Ring, Sehen konnte nur ich das Gerippe, / Das die schönste Seele einst umfing, / Den betrauern, der so früh verging.“
Nach den vielen Jahren, die seit den „Xenien“ der Dichterfürsten vergangen waren, klangen die Töne aus Weimar nach München nun ganz neu. Als Goethe seinen umfangreichen Briefwechsel mit Schiller 1828/29 bei Cotta veröffentlichte, widmete er das Buch Ludwig I. Er bedauerte, dass sein Freund keinen solchen Mäzen wie den Monarchen hatte: „Durch allerhöchste Gunst wäre sein Dasein durchaus erleichtert, häusliche Sorgen entfernt, seine Umgebung erweitert, derselbe auch wohl in ein heilsameres besseres Klima versetzt worden, seine Arbeiten hätte man dadurch belebt und beschleunigt gesehen, dem höchsten Gönner selbst zu fortwährender Freude und der Welt zu dauernder Erbauung.“
1863 schenkte Ludwig I. der Stadt München ein Schiller-Denkmal und beauftragte den Bildhauer Max von Widnmann mit dem Entwurf nach seinen Vorstellungen: Schiller mit erhobenem Kopf, gekleidet in den Gewändern seiner Zeit, einem enganliegenden Gehrock mit lockerem Überwurf, einen Lorbeerkranz in der rechten Hand haltend. Das Bronzedenkmal wurde in der königliche Erzgießerei in München von Ferdinand von Miller gegossen und auf dem Maximiliansplatz Ecke Brienner Straße aufgestellt. Für die Kosten von 12.320 Gulden kam Ludwig I. aus seiner Privatkasse auf.
An Schillers 58. Todestag, dem 9. Mai 1863, wurde das Denkmal in Anwesenheit von Schillers jüngster Tochter Emilie, die mit dem bayerischen Kammerherrn von Gleichen-Rußwurm verheiratet war, feierlich enthüllt und mit einer Schenkungsurkunde der Stadt München überreicht. Ludwigs Enkel, Ludwig II., erinnerte sich: „Sonntag vor 14 Tagen war die Enthüllung der Schillerstatue, wir waren leider nicht zugegen. – Die Statue ist sehr schön, so oft wir daran vorbeikommen kann ich mich nicht enthalten vor Schiller den Hut zu ziehen! – Fr. v. Gleichen aß diesen Tag beim Großvater zu Mittag, bei der Enthüllung saß sie ganz einsam u. gefeiert auf einem eigens für sie angewiesenen Platz. Denselben Abend war sie bei der Mutter beim Thee, nahe sahen wir sie; sie gefiel mir sehr …“
Übrigens steht das Denkmal heute nicht mehr an seinem ursprünglichen Ort. 1959 wurde es an das Nordostende der Maximiliansplatzanlagen verschoben, um dem Platz der Opfer des Nationalsozialismus mehr Raum zu verschaffen.
P.S. In einer Serie stellen die „LiteraturSeiten München“ Dichter-Denkmäler in der Landeshauptstadt vor. Bislang waren es die von Kurt Eisner, Heinrich Heine, J. W. Goethe, Lion Feuchtwanger, Frank Wedekind, Clemens Brentano, Annette Kolb, Franziska von Reventlow Franz von Kobell und Oskar Maria Graf.